Point «Aktuelle Biotechnologie» Juni 2022 (Nr. 240)

Gesunde Ernährung: Vitamin D-reiche Tomaten durch CRISPR/Cas9

Vitamin D ist wichtig für unsere Gesundheit sowie insbesondere für unser Nerven- und Immunsystem. Es kommt vor allem in tierischen Produkten wie Fleisch, Eiern und Milchprodukten vor, kaum jedoch in pflanzlichen Nahrungsmitteln. In der Bevölkerung ist Vitamin D-Mangel indes weit verbreitet. Ein Forscherteam aus Grossbritannien zeigt jetzt, dass eine kleine genetische Veränderung mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 ausreicht, um den Vitamin D-Gehalt von Tomaten deutlich zu steigern. Dazu muss nur die Funktion eines einzelnen Stoffwechselgens ausgeschaltet werden. Auf diese Weise könnte eine neue pflanzliche Vitamin D-Quelle für eine gesunde, ausgewogene Ernährung erschlossen werden – besonders wichtig, da immer mehr Personen eine vegetarische oder vegane und damit pflanzenreiche Ernährung bevorzugen. Freilandversuche mit genetisch veränderten Pflanzen sollen nun zeigen, ob sie sich unter Praxisbedingungen bewähren. In Grossbritannien können solche Versuche seit Kurzem mit einem minimalen Aufwand und ohne strenge Auflagen durchgeführt werden, weil die Veränderungen auch spontan in der Natur oder durch klassische Züchtungsverfahren entstehen können.   (mehr…)

Medizin: Zelltherapie gegen Krebs der Bauchspeicheldrüse

Bauchspeicheldrüsen-Krebs tritt in der Schweiz jedes Jahr bei etwa 1'500 Personen auf. Weil es noch keine verlässliche Früherkennung gibt, hat sich der Tumor oft schon im Körper ausgebreitet, wenn die Krankheit erkannt wird. Zwar kann das Fortschreiten der Erkrankung durch Medikamente dann noch gebremst werden. Die Behandlung ist jedoch schwierig, eine dauerhafte Heilung ist mit herkömmlichen Verfahren kaum noch möglich. US-Mediziner berichten jetzt über die erste, vielversprechende Anwendung einer neuartigen Zelltherapie. Dabei wurden körpereigene Immunzellen einer Patientin im Labor so umprogrammiert, dass sie die Krebszellen erkennen und angreifen können. Der Erfolg war erstaunlich: innerhalb kurzer Zeit schrumpften die Tumoren der Patientin, die sich bereits im Körper ausgebreitet hatten, um fast drei Viertel. Der Erfolg hielt auch nach sechs Monaten noch an, nachdem alle Standard-Behandlungen zuvor versagt hatten. Diese erste, experimentelle Behandlung muss noch weiterentwickelt werden, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu prüfen und um sie an breitere Patientenkreise anzupassen. Sie ist aber ein wichtiger Schritt für die Erweiterung des Anwendungsgebiets von Zelltherapien, die bisher vor allem gegen Blutkrebs erfolgreich sind.   (mehr…)

Industrielle Biotechnologie: Nachhaltigere chemische Produktion durch Biokatalyse

Eine verbesserte Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Ziel für die chemische Industrie bei der Produktion von Substanzen, die uns überall im Alltag begleiten. Dabei werden zunehmend biologische Werkzeuge eingesetzt. Enzyme, also Eiweisse, die im Stoffwechsel bestimmte Reaktionen erleichtern, können auch verwendet werden, um chemische Abläufe zu ermöglichen und in eine gewünschte Richtung zu steuern. Dieses Verfahren wird als Biokatalyse bezeichnet. Statt herkömmlicher chemischer Synthesen, die oft hohe Temperaturen, hohen Druck und aggressive Chemikalien erfordern, ermöglicht die Biokatalyse Stoffumwandlungen bei gemässigten Temperaturen, normalem Druck, und unter milden Reaktionsbedingungen. Das reduziert nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt, und kann zugleich die Qualität des Produkts verbessern. Technologische Entwicklungen haben die Biokatalyse in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer der Schlüsseltechnologien für eine nachhaltigere chemische Produktion gemacht. Heute bereits werden wichtige pharmazeutische Wirkstoffe, Aromen, Riechstoffe und Lebensmittelzutaten mit Hilfe der Biokatalyse produziert, aber auch chemische Grundstoffe, Feinchemikalien und Kunststoffe. Die Werkzeugkiste der Biokatalyse und ihr Einsatzbereich wird stetig erweitert, um nachhaltigere Produktionsverfahren zu etablieren.   (mehr…)

Neue Datenbank: Über 500 genomeditierte Nutzpflanzen

Gezielte Erbgut-Veränderungen bei Nutzpflanzen, zum Beispiel mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9, haben weltweit einen Innovationsschub in der Pflanzenzüchtung ausgelöst. Damit können in einem Bruchteil der bisher erforderlichen Zeit Sorten mit besseren Produkteigenschaften, höheren Erträgen, aber auch Krankheits-Resistenzen und Widerstandsfähigkeit gegen ungünstige Umweltbedingungen entwickelt werden. Die neue, öffentliche EU-SAGE Datenbank beschreibt über 500 Anwendungen der Genomeditierung bei 63 verschiedenen Pflanzenarten für landwirtschaftliche Anwendungen, und gibt Zugang zu den fachlichen Hintergrund-Informationen. Mit 282 beschriebenen Anwendungen ist China das weltweit führende Land bei den innovativen Züchtungsverfahren, gefolgt von den USA (126) und Japan (30). Aber auch in Europa werden die neuen Züchtungstechnologien in zahlreichen Ländern eingesetzt. Eine praktische Erprobung der Pflanzen auf dem Feld ist in den meisten Ländern hier aufgrund der veralteten Gesetzesgrundlagen allerdings nur mit erheblichem Aufwand möglich. Grosse Ausnahme ist Grossbritannien: hier wurden kürzlich die ersten genomeditierten Pflanzen nach den neuen, erleichterten Bestimmungen für Freilandversuche ausgesät. Das Verfahren für die Anmeldung bei den Behörden dauerte nur wenige Minuten.   (mehr…)

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Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)