Publikationen - «Carte Blanche» Gastbeiträge
Monika Rühl, Vorsitzende Geschäftsleitung economiesuisse
Steuern zurückholen statt verscheuchen
19.09.2022
Unternehmen sind zur Finanzierung von Investitionen auf Geld angewiesen, das sie sich beispielsweise über Obligationen leihen. Die Verrechnungssteuer belastet solche Anleihen: Das Geschäft mit Obligationen wandert aus der Schweiz ab, Wertschöpfung und Steuereinnahmen ebenfalls. Am 25. September können wir diesen Missstand mit einem JA zur Verrechnungssteuer-Reform beheben.
Die Finanzierung über Schweizer Obligationen hat einen gewichtigen Haken: Sie ist für ausländische Geldgeber uninteressant, weil die Obligationen der Verrechnungssteuer unterliegen. Diese wird den Firmen nicht automatisch zurückerstattet, wodurch diese gezwungen sind, sich im Ausland zu finanzieren. Denn dort gibt es meist keine solche Verrechnungssteuer.
Luxemburg : Schweiz = 190:1
Das Ausland profitiert von dieser Situation indem Steuereinnahmen und Wertschöpfung aus der Schweiz abgezogen werden. Krassestes Beispiel dafür ist Luxemburg: Es schlägt die Schweiz vernichtend mit 190:1. Denn im kleinen Benelux-Staat ist das Volumen an Obligationen im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt 190 mal grösser als in der Schweiz. Entsprechend finanzieren sich Unternehmen an den für Investoren “günstigen” Standorten.
Der schweizerische Kapitalmarkt trocknet derweil langsam, aber sicher aus und wird zunehmend unattraktiv. So hat sich das Geschäft mit Obligationen in der Schweiz in den letzten 12 Jahren halbiert, während Schweizer Unternehmen im Ausland Obligationen im Wert von 470 Milliarden Franken emittiert haben. Ein Teufelskreis, in den wir uns selbst hineinmanövriert haben, aus dem wir uns aber auch selbst befreien können.
Breite Unterstützung für Reform mit Augenmass
Wenn die Schweiz beim Geschäft mit Obligationen wieder attraktiv werden will, muss sie die Rahmenbedingungen ändern. Dafür gibt es einen breiten politischen Konsens: Bundesrat, Parlament und die grosse Mehrheit der Parteien stehen hinter der Reform der Verrechnungssteuer. Sie sieht vor, die Verrechnungssteuer auf neu ausgegebenen Obligationen abzuschaffen. Zu den Befürwortern zählen weiter die Grünliberalen, die Mitte, FDP und SVP, aber auch kantonale Finanzdirektoren, Wirtschaftsverbände, Handelskammern, der Gewerbeverband und der Bauernverband.
Die Reform der Verrechnungssteuer ist gezielt. Nur neu ausgegebene, inländische Obligationen werden künftig von der Verrechnungssteuer befreit. Das stellt sicher, dass kurzfristige Mindereinnahmen minimiert werden. Im weit gewichtigeren Bereich der Dividenden, die für die Milliardeneinnahmen beim Bund verantwortlich sind, ändert sich hingegen nichts. Die Reform führt deshalb bereits mittelfristig zu Mehreinnahmen für den Staat. Bei geringen kurzfristigen Kosten können bedeutende volkswirtschaftliche Vorteile erzielt werden.
Die gesamte Schweiz gewinnt
Unsere Unternehmen können sich dank der Reform einerseits wieder vermehrt über den Schweizer Kapitalmarkt refinanzieren, andererseits werden ausländische Investoren bereit sein, diese Obligationen zu kaufen. Von der Öffnung des Kapitalmarkts profitieren alle, die Geld aufnehmen wollen: Unternehmen in allen Branchen, aber auch der Bund, die Kantone, die Gemeinden, Spitäler, Energieversorger und die Betreiber des öffentlichen Verkehrs. Sie sind heute gezwungen, hohe Zinsen für das aufgenommene Kapital zu zahlen. Ohne Verrechnungssteuer wären Anlegerinnen und Anleger bereit, dieses Kapital zu günstigeren Konditionen bereitzustellen. Besonders die öffentliche Hand könnte dadurch Zinskosten sparen und Steuergelder sinnvoller einsetzen.
Öffentliche Hand als Gewinnerin
Sinkende Zinskosten bedeuten, dass öffentliche Versorgungsunternehmen Investitionen günstiger und damit attraktiver werden: Spitäler beispielsweise finanzieren Bauvorhaben mit Obligationen. Energieversorger können zu besseren Konditionen sowohl in Versorgungssicherheit wie auch in den Klimaschutz investieren. Von diesen Investitionen profitieren am Ende auch die Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Aus all diesen Gründen empfehle ich Ihnen klar ein JA zur Reform der Verrechnungssteuer am 25. September 2022.