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Positionspapier zu CO2-Grenzausgleichsmassnahmen (CBAM)
20.09.2022
scienceindustries-Position zu CO2-Grenzausgleichsmassnahmen (CBAM) – Multilateraler Weg und besser mehr Förderung als mehr Steuern
Zusammenfassung
scienceindustries vertritt die Position, dass ein effizienter Klimaschutz nur auf globaler Ebene erfolgen kann, d.h. dass alle Länder einen substantiellen Beitrag dazu liefern müssen. Dazu ist eine intensive Kooperation auf internationaler Ebene unabdingbar. Insellösungen sind nicht zielführend, da sie einerseits das Ambitionsgefälle zu den Wettbewerbern weiter erhöhen und andererseits deren Effekt auf das Gesamtklima minimal sein wird. Unilaterale Ansätze erhöhen zudem den finanziellen und administrativen Aufwand und gefährden damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, wenn diese nicht eine entsprechende Unterstützung/Fördermassnahmen durch den Staat erhalten.
CO2-Grenzausgleichsmassnahmen, wie im Rahmen des Grünen Deals der EU angedacht, beurteilt scienceindustries äusserst kritisch in Bezug auf deren WTO-Komptabilität und Praktikabilität. Zudem besteht je nach Ausgestaltung solcher Massnahmen die Gefahr, dass damit auf internationaler Ebene ähnliche Zölle erhoben werden und damit den Protektionismus verstärken und handelspolitischen Gegenmassnahmen Vorschub leisten.
Aus Sicht von scienceindustries ist ein Vorpreschen der Schweiz im Bereich Grenzausgleichsmassnahmen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend. Zunächst müssen die Entwicklung und die Auswirkungen der CBAM in der EU und vergleichbare Massnahmen in anderen Staaten genau beobachtet und beurteilt werden, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu erhalten.
Der Weg zu einer emissionsarmen Industrie muss mit anderen Mitteln (z.B. durch den Einsatz der verfügbaren Ressourcen in die Umsetzung von Reduktionsmassnahmen ist vorzuziehen) erreicht werden.
Kurz, CBAM ist abzulehnen, weil sie:
- Arbeitsplätze gefährden,
- die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Schweiz verschlechtern,
- somit den Wirtschafts-, Produktions- und Arbeitsstandort Schweiz schwächen und
- in der Umsetzung mit hohen Hürden (u.a. Abklärungsaufwand, Beschaffung der CO2-Nachweise, Aufbau eines Monitoring-Systems, Ursprungsüberprüfung, Schaffung neuer Handelsbarrieren) verbunden sind und so ein Bürokratiemonster schaffen,
- bei Verlagerung von Produktionen in Länder mit geringeren CO2-Emissionsgesetzen den CO2-Ausstoss global gesehen noch erhöht.
Hintergrund:
Die Chemie, Pharma und Life Science Industrien sind stark in globale Lieferketten integriert. 2021 hatten sie einen Anteil von 50.4% an den Gesamtexporten der Schweiz. Sie exportieren 98% der in der Schweiz produzierten Ware. Im Jahr 2021 gelangten 46% der Exporte in die EU und die übrigen 54% erreichten Kunden weltweit. Als rohstoffarmes Land hängt die Schweiz in hohem Masse von Importen ab. So importieren unsere Mitgliedsunternehmen 69% der Waren aus der EU, 31% weltweit. Unsere Industrien sind deshalb stark dem globalen Wettbewerb ausgesetzt.
Die Schweiz hat das Ziel, ihre Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent zu reduzieren, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Handlungsoptionen geprüft, u.a. auch die Einführung eines sogenannten CO2-Grenzausgleichssystems. Damit sollen Produkte aus Drittländern ohne vergleichbare Klimaschutzverpflichtungen im Importland mit einer CO2-Abgabe belastet werden.
CO2-Grenzausgleichsmassnahmen wurden bereits von verschiedenen parlamentarischen Vorstössen (20.3933; 21.3602; 21.432 sowie 22.451) aufgenommen.
Die EU steht bei den internationalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels an vorderster Front. Mit dem Green Deal will sie das ehrgeizige Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren und bis 2050 ein klimaneutraler Kontinent zu werden, erreichen. Als Teil dieser Bemühungen ist der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) laut Kommission eine Klimaschutzmassnahme, die das Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen verhindern und die ehrgeizigeren Ambitionen der EU beim Klimaschutz unterstützen und gleichzeitig die WTO-Kompatibilität gewährleisten soll. Bestimmte ausserhalb der EU produzierte Güter (Bereiche Eisen und Stahl, Aluminium, Dünger, Zement sowie Elektrizität) sollen künftig bei der Einfuhr in die EU mit einem CO₂-Preisaufschlag belegt werden. Ebenso ist die Aufnahme von organischer Chemie und Polymere geplant.
Obwohl gemäss aktuellem Gesetzesentwurf Exporte mit Ursprung Schweiz vom EU-CBAM aufgrund der Integration der Schweiz im EU-EHS ausgenommen werden sollen, hat die Einführung eines Grenzausgleichssystems durch die EU aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtung (wichtigster Handelspartner, Verknüpfung der Emissionshandelssysteme) Auswirkungen auf die Schweiz.
Die Erweiterung der Produktebereiche steht dabei bereits zur Diskussion.
Ab 2026 sollen laut EU-Kommission die kostenlosen Emissionsrechte im Rahmen des Emissionshandelssystems für diese Produkte schrittweise abgeschafft werden (noch kein definitiver Entscheid).
Die Diskussionen innerhalb der EU darüber, ob ein solches System letztlich eingeführt werden wird und wie es konkret ausgestaltet sein wird, sind jedoch noch nicht abgeschlossen.
Internationaler Kontext – Aufrechterhaltung des Level-Playing-Fields
- Die international stark vernetzten Unternehmen von scienceindustries stehen in einem hart umkämpften Markt im weltweiten Wettbewerb. China hat die EU als grösster Produzent von chemischen Produkten bereits 2009 abgelöst. Der weltweite Wettbewerb hat sich in den letzten 10 Jahre erheblich verändert, drängen doch Schwellenländer in Asien zu den Spitzenplätzen.
- scienceindustries hat sich stets für freie und faire Handelsbeziehungen im Rahmen eines regelbasierten globalen Handelssystems ausgesprochen. Als Vertreterin von Unternehmen, die auch Tochtergesellschaften in der EU haben, ist es scienceindustries ein Anliegen, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen und somit die Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern. Dies kann nur erreicht werden, indem die Verantwortung für den Klimaschutz weltweit von allen Stakeholdern in gleichem Masse übernommen wird (level playing field).
- Dementsprechend sind die europäischen Unternehmen (inkl. KMUs) und damit die europäischen Arbeitsplätze einem wachsenden Druck ausgesetzt, der mit wohlgemeinten Massnahmen im Klimabereich noch massiv zunehmen wird, wenn administrative Hürden, wie z.B. in Abhängigkeit der Ausgestaltung der Massnahmen (Klimazölle für Einzelprodukte vs. CO2-Grenzsteuer für alle Produkte) die Bestimmung und den Nachweis der mit der Produktion verbundenen CO2-Emission, weiter aufgebaut werden.
- Als rohstoffarmes Land ist die Schweiz in einer starken Importabhängigkeit bezüglich Roh- und Ausgangsstoffen. Dementsprechend sind die importierenden Unternehmen auf einen möglichst hindernisfreien Warenverkehr angewiesen. Unilaterale Massnahmen, die zu einem massiven Bürokratieanstieg führen, unterminieren Anstrengungen, eben diesen zu verhindern und beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der in der Schweiz ansässigen Unternehmen erheblich.
- Skepsis gegenüber einer WTO-kompatiblen Ausgestaltung entsprechender Massnahmen scheint scienceindustries angebracht.
- Das Welthandelsrecht kennt keine expliziten Regeln für den Grenzausgleich. In Bezug auf Steuern gilt der Grundsatz, dass indirekte Steuern auf Produkten einem Grenzausgleich unterworfen werden dürfen, sofern der allgemeine Grundsatz der Nicht-Diskriminierung berücksichtigt wird und die Höhe des Grenzausgleiches die effektive Höhe der Abgabe im Inland nicht übersteigt. Der Ausgleich von Umweltabgaben verletzt diese Anforderungen, wenn die Höhe der Besteuerung sich nach der Art der Herstellung (sogenannte Prozess- und Produktionsmethoden; kurz: PPM) unterscheidet.[1] Wenn man nun auf Importe lediglich den tiefsten Abgabesatz gemäss der "best available technology" erheben würde, führte eine solche Lösung zu einer Inländerdiskriminierung von Produkten gegenüber Importware, die nicht gemäss der "best available technology" produziert wurde.
- Wir beurteilen die Gefahr, dass Handelspartner durch einseitige Einführung von Grenzausgleichsmassnahmen entsprechende Gegenmassnahmen beschliessen, als erheblich. Gerade für die global stark vernetzten Industrien Chemie Pharma Life Sciences könnte dies zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber den globalen Mitbewerbern führen.
- Handelspartner, die ihre internationalen Klimaschutzverpflichtungen einhalten, werden eine zusätzliche Belastung durch einseitig eingeführte CO2-Grenzmassnahmen kritisieren. Hierdurch könnte das Engagement gerade von Entwicklungs- und Schwellenländern für das Pariser Klimaabkommen und damit die globalen Klimaschutzanstrengungen unterminiert werden.
Beitrag von Chemie Pharma Life Sciences zur Reduktion der CO2-Emissionen und zum Klimaschutz
- Die Chemie Pharma Life Sciences Industrien der Schweiz unterstützen bereits heute mit ihren Produkten und Anpassungen der Herstellungsmethoden den Klimaschutz.[2] Sie sind durchaus bereit, sich auch in Zukunft den damit verbundenen technologischen und ökonomischen Herausforderungen zu stellen.
Positives Kosten/Nutzen-Verhältnis fraglich – negative Effekte auf Wertschöpfungsketten für exportorientierte Unternehmen und für die Schweiz als Produktions- und Arbeitsstandort erwartet
Der Kommissionsvorschlag[3] sieht ein phasenweises Vorgehen für die Erhebung von Grenzausgleichsmassnahmen vor. Es sollen in einer ersten Phase folgende Produktegruppen Grenzausgleichsmassnahmen unterworfen werden: Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Strom. Damit ist die chemische Industrie vorerst nur punktuell betroffen (Ammoniak, Salpetersäure und Düngemittel). Die erstgenannten Produkte sind aber wichtige Vorprodukte in der chemischen Produktion, ihre Einbeziehung in das CBAM führt zu steigenden Kosten nachgelagerter chemischer Produkte (wie z.B. Isocyanate, Polyamide).
Bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2025 wird die EU-Kommission entscheiden, ob CBAM auf weitere Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet werden soll. Sie wird ebenfalls evaluieren, ob neben den direkten auch die indirekten Emissionen (z.B. CO2 aus Strom zur Herstellung der Waren) berücksichtigt werden sollen.
Die Industrien Chemie Pharma Life Sciences repräsentieren eine sehr komplexe Branche der
Schweizer Wirtschaft mit einer umfangreichen Produktepalette. Diese widerspiegelt sich u.a. in der Zolltarifstruktur, die über 1200 Zolltarifnummern (8-stellig) in den Zolltarifkapiteln 28-39 enthält. Selbst wenn nur die in der EU in Diskussion stehenden Produkte des Zollkapitels 29 und die Kunststoffe (i.e. die Zolltarifnummern 3901 bis 3914) einer CBAM unterworfen würden, wären knapp 650 Zolltarifnummern betroffen. Die Produktepalette von den scienceindustries-Unternehmen enthält sowohl relativ homogene organische und anorganische Basischemikalien wie auch höchst komplexe Spezialitätenchemikalien und Konsumgüter. Viele Produkte werden in der Regel aus Zwischenprodukten in unterschiedlichen Verfahren hergestellt. Unsere Mitgliedsunternehmen sind Teil komplexer Wertschöpfungsketten sowohl innerhalb der Industrien Chemie Pharma Life Sciences wie auch ausserhalb. 98% des Umsatzes wird im Ausland generiert. 54% der Exporte gelangen in nicht-EU/EEA-Staaten. Eine Ausweitung der CBAM auf die Produkte der Chemie Pharma Life Sciences würde die Wertschöpfungsketten politisch verteuern - dies hätte automatisch einen Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit nachgelagerter Produktionsketten.
- scienceindustries anerkennt durchaus, dass Grenzausgleichsmassnahmen für Industrien, die hauptsächlich das Inland bedienen, durchaus sinnvoll sein mögen. Mit CBAM können diese sicherstellen, dass ihre in der Schweiz produzierten Güter, die einer CBAM-Abgabe unterworfen sind, gegenüber gleichen importierten Gütern aus Staaten ohne vergleichbare CO2-Abgaben nicht benachteiligt werden. Damit würde die Attraktivität der Schweiz als Produktions- und Arbeitsstandort für diese Unternehmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz erhalten. (Bsp. Zementproduktion in der Schweiz mit CO2-Abgabe vs. importierter Zement aus der Türkei ohne CO2-Abgabe). Die höheren Kosten können auf die inländischen Kunden abgewälzt werden.
- Grenzausgleichsmassnahmen hätten in erster Linie den Effekt, dass schweizerische Verbraucher – private und industrielle Verbraucher der Chemie Pharma Life Sciences (Konzerne und KMUs) - für diese zahlen müssten. Dies führt für im globalen Markt tätige Unternehmen unweigerlich zu höheren Preisen von Ausgangsstoffen und Produkten und einem entsprechenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortattraktivität.
- Grenzausgleichsmassnahmen für exportorientierte Unternehmen bieten weder einen Schutz gegen Importe aus Staaten ohne ähnliche CO2-Abgabe noch dienen sie dem Klima. Sollte ein CO2-Grenzausgleichssystem ohne Rückerstattungen beim Export in nicht-EU/EEA-Staaten eingeführt werden, würden Schweizer Produkte im Export in Drittstaaten massiv verteuert werden. Eigenen Berechnungen zufolge bewegen wir uns hier bei Preisaufschlägen von mindestens 10% (Transaktionskosten, Umbaukosten, CO2-Kosten). Beispiel: Ein Rohstoff wird aus Indien in die Schweiz importiert, eine CO2-Abgabe entrichtet, verarbeitet und im Anschluss nach China exportiert. Mit einer Preiserhöhung von mindestens 10% wird der chinesische Kunde wohl einen anderen Lieferanten suchen. Dies führt im globalen Wettbewerb zu einem beträchtlichen Wettbewerbsnachteil und stellt somit die Wirtschaftlichkeit der Produktion in der Schweiz in Frage. Die in der Schweiz produzierenden Industrien müssten sich überlegen, ob allenfalls eine Produktion vor Ort aus ökonomischer Sicht sinnvoller wäre als der Produktionsstandort Schweiz. Damit würde der Wirtschafts-, Produktions- und Arbeitsstandort Schweiz erheblich geschwächt.
- In Anbetracht der mit den CBAM verbundenen Risiken und Belastungen bei gleichzeitig fragwürdiger Effektivität der CBAM beurteilen wir deren Einführung sehr kritisch. Grenzausgleichsmassnahmen sind aus unserer Sicht kein geeignetes Mittel, um die Klimaziele zu erreichen. Vielmehr sollten alternative und zielführende Massnahmen geprüft werden, um die angestrebte Transformation der Industrie und die Klimaziele zu erreichen. In erster Linie sollten Anreize geschaffen werden, die die Forschung und Entwicklung neuer Technologien fördern, auf Technologieverbote weitgehendst verzichtet werden, der Zugang zu billigem Strom aus erneuerbaren und/oder klimafreundlichen Quellen gewährleistet werden sowie CO2-arme oder CO2-verbrauchende Produkte gefördert und begünstigt werden.
CBAM-Umsetzung ist eine Herausforderung
- Aus Sicht von scienceindustries müsste eine entsprechende CBAM praktikabel, unbürokratisch und effektiv sein, die exportierenden Unternehmen nicht zu benachteiligen (Rückerstattungen bei Ausfuhr), WTO-kompatibel sein, mit den Regeln des Pariser Abkommens vereinbar sein und zu keinen Markt- und Wettbewerbsverzerrungen (Protektionismus) führen.
- Ungeachtet des angedachten Modells für die Ausgestaltung der CBAM, i.e. von CO2-Steuererhebung für Einzelprodukte bis zu einer solchen für alle Produkte mit Exportrückerstattungssystem, resultieren für die Berechnung erhebliche Abklärungsaufwände für die Wirtschaftsteilnehmer und damit verbunden komplexe und bürokratische Verfahren (Bürokratiemonster). Zudem besteht die Gefahr, dass in diesem Zusammenhang geschäftsrelevante vertrauliche und sensible Daten offengelegt werden müssen. Gerade für die innovativen Industrien Chemie Pharma Life Sciences ist der Schutz des Geistigen Eigentums von hoher Priorität.
- Formal gilt die CBAM für die in Annex I vom Kommissionsvorschlag gelisteten Güter (Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Strom). In der Praxis deutet der derzeitige Wortlaut des Vorschlags jedoch darauf hin, dass die CBAM weitreichender sein könnte. Sie könnte verlangen, dass die Emissionen, welche mit Gütern, die nicht unter die ausdrücklich erfassten Industriesektoren fallen, in Verbindung stehen, bei der Ermittlung der Emissionen von im Annex I gelisteten Gütern, berücksichtigt werden müssten. Denn für die Herstellung verschiedener komplexer Güter, wird eine Reihe von Einsatzstoffen benötigt. Einige davon fallen nicht in den Anwendungsbereich von Anhang I. Der Kommissionsvorschlag legt die Kriterien für die Berechnung der Emissionen, welche mit der Herstellung von komplexen Gütern in Verbindung gebracht werden können, nicht eindeutig fest. Er lässt daher offen, ob die Emissionen von Produkten anderer Kategorien in die Berechnung der Emissionen eines komplexen Erzeugnisses, das unter die Zolltarifnummern von Annex I fällt, einbezogen werden müssen. Sprich, die derzeitige rechtliche Ausgestaltung der CBAM-Verordnung scheint die Möglichkeit offen zu lassen, dass die CBAM indirekt Sektoren und Warenkategorien betrifft, die nicht unter die Zolltarifnummern des Annex I fallen.
- Sollen an der Grenze keine Warensendungen wegen fehlender CO2-Deklaration blockiert werden, muss der CO2-Gehalt von zu importierenden Waren sachgerecht und zeitnah, idealerweise bereits im Vorfeld ermittelt werden. Entsprechende Abklärungen sind zeitaufwendig und führen zu erhöhtem Aufwand seitens des Importeurs, stören die etablierten Abwicklungsprozesse in den Unternehmen und gefährden die Versorgungssicherheit.
- Um exportierende Unternehmen nicht zu benachteiligen, müsste ein umfassendes Grenzausgleichsregime mit Exporterstattungen eingeführt werden, für welches ein aufwändiges Verfahren eingeführt werden müsste. Die Schweiz hat bereits ein entsprechendes Verfahren für flüchtige organische Verbindungen (VOC) eingeführt, welches die Unternehmen administrativ und finanziell sehr belastet.
- Sollte eine entsprechende CO2-Steuer auf Produkten erhoben werden, müsste die Richtigkeit der deklarierten Menge/Emission auch nachprüfbar sein. Wie dies geschehen soll, ist aus Sicht von scienceindustries nicht klar. Um vertrauliche Geschäftsinformationen zu schützen, müsste eine solche Nachprüfung auf Antrag des Importlandes das Exportland durchführen. Dies setzt voraus, dass entsprechende Abkommen über die behördliche Zusammenarbeit in Kraft sind.
- Ob durch einen Grenzausgleich die angestrebte Schutzwirkung für CO2-intensive Sektoren wirklich erreicht wird, ist ungewiss. Mit legalen Umlenkungseffekten (Handel, Energieart) und dem Ausweichen auf andere Produkte oder Produktionsstufen könnten ausländische Wettbewerber versuchen, das System zu unterlaufen. Durch das Fehlen eines globalen Zertifizierungssystems ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Fazit:
Wir stellen fest, dass die Zielsetzung in Bezug auf CBAM unklar ist. Weder sind wir davon überzeugt, dass CBAM vor Carbon Leakage schützen noch andere Staaten zu mehr Klimaschutz motivieren werden.[4]
Die mit CBAM verbundenen Risiken und Belastungen überwiegen die Chancen bei weitem, die Effektivität ist fraglich.
Alternativen zu Grenzausgleichsmassnahmen
- Schaffung von Instrumenten zur Unterstützung der Transformation der Industrie
- Gute Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Markteinführung neuer technologischer Lösungen
- Globales Vorgehen für den Klimaschutz, z.B. mittels der Einführung eines global einheitlichen Emissionshandels, eventuell im Rahmen der G-20
- Günstige Preise für Strom aus erneuerbaren Quellen
- Mehr private und öffentliche Mittel für Forschung, Entwicklung und Investitionen
- Förderung von CO2-günstigen Technologien (keine Technologieverbote), Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle anstelle der Verteuerung von CO2-reichen Produkte und Prozesse
- Initiativen mit grosser globaler Hebelwirkung im Bereich der CO2-Emissionen, wie z.B. die Science Based Target Initiative (SBTI), sind zu fördern. SBTI ist eine gemeinsame Initiative von CDP, UNGC, WRI und WWF, die Methoden und Kriterien für effektiven Klimaschutz in Unternehmen entwickelt und Unternehmensziele validiert. Der im Oktober 2021 lancierte Net-Zero Standard gibt Unternehmen einen wissenschaftlich fundierten Rahmen für die Festlegung von ambitionierten und effektiven Klimazielen mit dem langfristigen Ziel von Netto-Null-Emissionen. Schon 70 Unternehmen mit mehr als 500 Milliarden Franken Umsatz haben sich bis heute wissenschaftsbasierte Klimaziele gesetzt und es werden täglich mehr. Sie alle haben sich hohe Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen gesetzt.
Voraussetzung hierfür ist ein umfassendes und sorgfältiges Impact Assessment, wie der ambitionierte Klimaschutz mit einer erfolgreichen Transformation der Chemie Pharma Life Sciences Industrien und der Integration in die Weltwirtschaft vereinbar sein kann.
[1] Siehe die handelsrechtlichen Ausführungen zu PPM in der Botschaft zur Fair-Food-Initiative, Ziffer 6.2.1.
[2] Siehe scienceindustries "Übersicht und Position zur Klimapolitik"; https://www.scienceindustries.ch/article/11553/uebersicht-und-position-zur-klimapolitik
[4] Gemäss Statista gehörten 2019 folgende Länder zu den 10 grössten CO2-Emittenten: China (30.65%), USA (13.54), Indien (7.02%), Russland (4.53%), Japan (2.96%), Deutschland (1.85%), Iran (2.14%), Korea (1.72%), Saudi-Arabien (1.8%), Indonesien (1.69%). Diese waren für insgesamt 67.9% der globalen Emissionen verantwortlich. 9 der 10 Top-Ten CO2-emittierenden Ländern sind in der G-20.