Dossiers - Reformen im Gesundheitswesen
Das elektronische Patientendossier
23.12.2022
Das elektronische Patientendossier ist ein wichtiges Element in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Grundgedanke ist, dass die Daten nach einer einheitlichen Struktur erfasst, sicher abgespeichert und elektronisch ausgetauscht werden können. Dadurch sollen bessere Diagnosen und gezieltere Behandlungen dank schneller und umfassender Information möglich sein.
Das elektronische Patientendossier (EPD) ist eine digitale Sammlung persönlicher Dokumente mit Informationen über eine bestimmte Person. Jede Person entscheidet selbst über eine Eröffnung eines eigenen EPD, kann selbst über den Inhalt verfügen und bestimmen, welche Informationen sie mit anderen Gesundheitsfachpersonen teilen möchte. Das EPD enthält nur die erfassten Gesundheitsinformationen, die für andere Fachpersonen und für eine weitere Behandlung relevant sind. Die Gesundheitsfachpersonen führen neben dem EPD weiterhin eine vollständige Krankengeschichte ihrer Patientinnen und Patienten.[1] Dadurch sollen bessere Diagnosen und Behandlungen dank umfassender Information möglich sein. Der Datenschutz und die Datensicherheit sind hierbei von zentraler Bedeutung. Sichergestellt wird dies durch das Datenschutzgesetz und das Bundesgesetz zum EPD.
Angeboten wird das EPD von sogenannten Stammgemeinschaften. Stammgemeinschaften sind die in einem technisch-organisatorischen Verbund zusammengeschlossenen Gesundheitsfachpersonen und ihre Organisationen. Diese Stammgemeinschaften können dezentral in den Versorgungsregionen entstehen, zum Beispiel in einem Kanton oder übergreifend in mehreren Kantonen. Hier können sich alle Gesundheitsfachpersonen und ihre Einrichtungen anschliessen, also beispielsweise Spitäler, Pflegeheime, Arztpraxen, Apotheken oder Spitex-Dienste. Zurzeit gibt es sieben solche zertifizierten Stammgemeinschaften.
Technologieoffene Interoperabilität des Systems
scienceindustries spricht sich für eine möglichst vollständige Datenerfassung im EPD sowie eine technologieoffene Interoperabilität des Systems aus. Durch diese soll ein Gesundheitsdatenökosystem entstehen: Nur dann kann eine erfolgsversprechende personalisierte Medizin ermöglicht werden. Denn der Einbezug über das Krankheitsbild hinausgehender Informationen zur biologischen Ausstattung (z.B. genetische Daten) sowie weiterer Gesundheitsdaten für die Behandlung einer Person erfordert eine umfassende digitale Unterstützung. Durch das Bereitstellen der persönlichen (aber anonymisierten) Daten für die Forschung können somit grosse Erkenntnisgewinne erzielt werden. Je besser Gesundheitsdaten verknüpft werden, desto schneller und aussagekräftiger können Krankheitsmuster erkannt und weiter erforscht werden.
Dies bringt Vorteile für die Patientinnen und Patienten, die gesamte Gesellschaft und nicht zuletzt für die Forschung. Ein modernes EPD verschafft den Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, ihre Gesundheitsdaten an einem Ort standardisiert zusammenzutragen und gezielt medizinischen Fachpersonen zur Verfügung zu stellen. Das sichert eine umfassende Information über die Gesundheitsdaten einer Person, die für eine gezielte und fachgerechte Behandlung von grosser Bedeutung sind. Ein interoperables Gesundheitsdatensystem ermöglicht es auch, das Gesundheitssystem insgesamt transparenter, wirksamer und nachhaltiger zu gestalten. Vernetzte Gesundheitsdatensysteme erlauben es, die Behandlungsergebnisse bei Patientinnen und Patienten ins Zentrum zu rücken. Ein fortschrittliches Gesundheitsdatenökosystem eröffnet auch die Aussicht auf eine spezifischere Prävention, also auf die gezielte Förderung und den Erhalt der Gesundheit der Menschen.
Akzeptanz in der Bevölkerung
Gemäss der am 14. Dezember 2022 von Deloitte veröffentlichten Studie Life Science & Health Care Report «Digitalisierung der Gesundheitsdaten: grosse Chancen, grosse Skepsis»[2] steht ein erheblicher Teil der Schweizer Bevölkerung– immerhin rund 45% - einer digitalen Erfassung und Nutzung ihrer Gesundheitsdaten kritisch gegenüber. Das liegt vor allem daran, dass das allgemeine Vertrauen, die Gesundheitsdaten digital zu erfassen und zu teilen, nicht oder nicht ausreichend vorhanden ist. Bedenken bezüglich Datenschutz werden dem Nutzen vorangestellt. Jedoch hat die Studie auch aufgezeigt, dass rund 20% keine Meinung zur digitalen Erfassung ihrer Gesundheitsdaten haben. Durch vermehrte Kommunikation und Information könnten sich also viele Personen inskünftig von den Vorteilen eines digitalisierten Gesundheitswesen überzeugen lassen. Auch sollte eine positive Erlebbarkeit eines EPD angestrebt werden, so dass immer mehr Menschen erkennen, dass die Vorteile eines solchen klar überwiegen.
Der Bund und die Politik müssen Massnahmen ergreifen, um das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung aufzubauen. Es müssen wieder vermehrt Qualitäts- statt bloss Kostendiskussionen geführt werden und es benötigt eine nationale Investitionsoffensive für die notwendige Erneuerung der IT-Infrastruktur.
Politischer Konsens und Ausblick
Das Parlament hat in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Vorstössen zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen und in diesem Zusammenhang auch zum EPD verabschiedet.[3]Es herrscht dabei ein breiter Konsens, dass die Schweiz hier ins Hintertreffen geraten ist und rasch Verbesserungen erreicht werden müssen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) anerkennt den Handlungsbedarf und hat eine Reihe von Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens an die Hand genommen: U.a. plant es für das Jahr 2023 die Einführung des E-Impfausweises. Es besteht die Hoffnung, dass ein solcher von der Bevölkerung positiv aufgenommen wird und das Vertrauen in die Digitalisierung des Gesundheitswesen damit insgesamt gefördert werden kann.
Auch die private Initiative "Allianz Digitale Transformation im Gesundheitswesen", welche im März 2022 von diversen Stakeholdern – u.a. scienceindustries – gegründet wurde, will einerseits generelle Rahmenbedingungen definieren, die es für die digitale Transformation im Gesundheitswesen braucht und andererseits prioritäre Gesetzes- und Verordnungsänderungen erarbeiten, welche einem nutzenstiftenden elektronischen Patientendossier zum Durchbruch verhelfen.
Auf der Website von scienceindustries finden Sie weitere Informationen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen.