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Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW)

Publikationen - «Carte Blanche» Gastbeiträge

Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW)

Wir handeln jetzt für morgen

22.03.2023

Vor etwas mehr als einem Jahr mussten wir auf unseren Bildschirmen konsterniert mitverfolgen, wie die Ukraine, die «Kornkammer Europas», angegriffen wurde. Die panische Reaktion der Märkte führte uns erneut vor Augen, wie sehr wir alle voneinander abhängig sind. Seither sind Begriffe wie «Selbstversorgungsgrad» und «Ernährungssicherheit» in der öffentlichen Debatte omnipräsent. Doch ist es sinnvoll, die Ernährungssicherheit mittels einer Erhöhung des Selbstversorgungsgrads verbessern zu wollen? Und wie kann dies geschehen, ohne der Entwicklung eines nachhaltigen Ernährungssystems entgegenzuwirken?

Für das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) kann das Ernährungssystem als nachhaltig bezeichnet werden, wenn die Ernährungssicherheit für alle Menschen gewährleistet ist, ohne die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Grundlagen zu gefährden, die für heutige und künftige Generationen unerlässlich sind. Dieses System umfasst alle Aktivitäten der gesamten Lebensmittelkette sowie deren Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Konkret bedeutet dies, dass wir alle Akteure dieses Systems sind. Auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette haben wir einen Einfluss.

Nachhaltige Ernährungssicherheit anstreben
Im Juni 2022 verabschiedete der Bundesrat den Bericht über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik. Darin wird das Ziel genannt, die Ernährungssicherheit durch eine nachhaltige Entwicklung von der Produktion bis zum Konsum zu erreichen.

Dieses Ziel will der Bundesrat erreichen, indem er vier strategische Stossrichtungen verfolgt.

  • Erstens geht es darum, eine resiliente Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Die Produktionsgrundlagen wie die Böden und das Wasser sind zu erhalten.
  • Zweitens will er eine umwelt- und tierfreundliche Lebensmittelproduktion fördern. Dank eines kleineren ökologischen Fussabdrucks ist es möglich, sich innerhalb der Absorptionskapazitäten der Ökosysteme zu bewegen.
  • Die dritte vorgeschlagene Stossrichtung besteht in einer Stärkung der nachhaltigen Wertschöpfung. Die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie müssen noch konkurrenzfähiger werden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist es, neue Entwicklungen im Ernährungsbereich frühzeitig aufzugreifen.
  • Die vierte strategische Stossrichtung zielt schliesslich darauf ab, einen gesunden und nachhaltigen Konsum zu begünstigen. Dazu ist es wichtig, Brücken zwischen der Landwirtschaft und den Konsumierenden aufzubauen. Letztere sollen die Herstellungsmethoden der Produkte bzw. deren Wirkung auf Klima oder Tierwohl besser kennen. Ausserdem müssen alle Akteure der Lebensmittelkette einen Beitrag zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung leisten.

Tiefgreifende Veränderungen notwendig
Die Transformation der Lebensmittelsysteme wird Zeit brauchen, da die dazu notwendigen Anpassungen tiefgreifend sind. Um diese zu begleiten, spielen Innovation, Digitalisierung, Wissenschaft und Forschung eine zentrale Rolle. In diesem Kontext kann scienceindustries mit seinem Einsatz für die Förderung eines innovationsfreundlichen Umfelds einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Gewährleistung der Ernährungssicherheit bei gleichzeitiger Einhaltung der Kapazitätsgrenzen unserer Ökosysteme stellt eine enorme Herausforderung dar. Um dies zu erreichen, müssen die Landwirtschaftsflächen sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht bewahrt, der technologische Fortschritt umgesetzt und resistente Varietäten und Rassen entwickelt werden. Wichtige Faktoren stellen dabei auch die Erhaltung des Know-hows, eine bessere Wasserbewirtschaftung sowie die Anpassung des Konsumverhaltens und der Produktionsformen dar. Bei der Bereitstellung der Rahmenbedingungen darf der Schwerpunkt nicht allein auf dem Grad der Selbstversorgung liegen, sondern sie muss auch die anderen Aspekte der Ernährungssicherheit berücksichtigen. Letztendlich ist es essenziell, dass alle nationalen wie auch internationalen Anstrengungen in Richtung eines nachhaltigen Ernährungssystems laufen. Wir handeln jetzt gemeinsam für morgen.

 

 

Photo Copyright: KEYSTONE/Christian Beutler


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