Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences
Meinungsartikel Finanz & Wirtschaft: Direktor Stephan Mumenthaler

Dossiers - Klima- und Energiepolitik

Meinungsartikel Finanz & Wirtschaft: Direktor Stephan Mumenthaler

Wirksame Energie- und Klimapolitik – mit der Industrie

18.07.2023

Das deutliche Ja zum Klimaschutzgesetz zeigt: Das Netto-null-Ziel 2050 soll mit einer Politik der Anreize erreicht werden. Damit die Industrie auch künftig dazu beitragen kann, braucht es international abgestimmte Ansätze, die neue Technologien und Innovation ermöglichen.

Weil die Herausforderungen des Klimawandels global sind, braucht es international abgestimmte Ansätze – zugleich sollen alle einen Beitrag leisten. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat mit 59,1% ein klares Verdikt gesprochen: Die Schweiz soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden und nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen wird (Netto-null-Ziel).

Um dieses Ziel zu erreichen, sind folgende Massnahmen vorgesehen: Der Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen mit klimaschonenden Heizungen soll mit 2 Mrd. Fr. unterstützt werden. Betriebe in Industrie und Gewerbe, die innovative Technologien zur klimaschonenden Produktion einsetzen, sollen von Fördermitteln in der Höhe von 1,2 Mrd. Fr. profitieren. 

Schweiz überdurchschnittlich gut unterwegs

Wir haben uns ebenfalls für ein Ja engagiert: Unsere Mitgliedunternehmen unterstützen das Netto-null-Ziel 2050 als grundsätzliche Zielausrichtung und sprechen sich für einen proaktiven und effektiven Klimaschutz aus. Die chemisch-pharmazeutische Industrie leistet bereits heute einen signifikanten Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen – diese Reduktionen werden durch Optimierung von Prozessen in den eigenen Anlagen sowie ihrer Lieferketten erreicht. Darüber hinaus trägt die chemische Industrie substanziell zur Erreichung der Klimaziele bei: ohne Hochleistungschemikalien keine Photovoltaik, keine Windenergie und keine Wasserkraft – ohne hoch entwickelte Dämmmaterialien keine Energieeffizienz in Gebäuden. Produkte der chemischen Industrie sind damit ein unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende.

Die Transformation in Richtung Klimaneutralität ist als kohlenstoffbasierter Wirtschaftszweig jedoch nicht leicht zu bewältigen. Umso mehr braucht es zielgerichtetes Handeln, um unerwünschte Auswirkungen zu vermeiden. Die Schweiz schneidet im Bereich Klimaschutz bereits überdurchschnittlich gut ab. Gemäss der Bewertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD über die internationale Energiepolitik hat sie die niedrigste Emissionsintensität der über dreissig Mitgliedstaaten der Internationale Energieagentur (IEA). Dies liegt nicht nur an den hohen Anteilen von Wasser- und Kernkraft in der Stromerzeugung, sondern auch an gut gewählten klimapolitischen Instrumenten, wie beispielsweise dem Zielvereinbarungssystem.

System der Zielvereinbarungen funktioniert

Über 4000 Gesellschaften, darunter auch zahlreiche Unternehmen der Zweige Chemie, Pharma und Life Sciences, haben bereits Zielvereinbarungen zur Emissionsreduktion mit der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) abgeschlossen. Die CO₂-Abgabebefreiung, kombiniert mit verpflichtenden Vereinbarungen zu einem ambitionierten Emissionsreduktionsziel, ermöglicht Unternehmen, einen Beitrag zur globalen Klimaneutralität zu leisten und gleichzeitig international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Leistungsbilanz dieser erfolgreichen Zusammenarbeit spricht für sich selbst: Seit 1990 konnte die Industrie die CO₂-Emissionen um rund 35% reduzieren. Gleichzeitig verbrauchen Industrie, Wirtschaft und Haushalte in der Schweiz immer weniger Energie: Der Energieverbrauch pro Kopf (Endenergie, ohne internationale Flugreisen) hat in der Schweiz seit 2000 um 25% abgenommen. Dies bei einem Anstieg des realen BIP pro Kopf um 19% im selben Zeitraum.

Gute Instrumente sollen weitergeführt werden

Und so funktioniert das System der Zielvereinbarungen: Die EnAW hilft den Schweizer Unternehmen, die für sie bestmögliche Klimaschutzmassnahmen umzusetzen – gemeinsam mit den EnAW-Experten werden für jedes Unternehmen massgeschneiderte Massnahmen erarbeitet. Sie umfassen praktikable und wirtschaftlich sinnvolle Massnahmen, die für das spezifische Unternehmen am effektivsten sind. In dieser Hinsicht ist die im Rahmen der Revision des CO₂-Gesetzes geplante Ausweitung der Zielvereinbarungen mit Verminderungsverpflichtung auf alle Unternehmen erfreulich.

Ebenso positiv ist, dass die EnAW jüngst bei der WTO-Ausschreibung «Zielvereinbarungen post 2020» offiziell den Zuschlag für den Beraterpool erhalten hat. Die Erfolge, die die Schweizer Wirtschaft mit den Zielvereinbarungen erzielt hat, werden honoriert, und die langjährige gute Partnerschaft mit dem Bund kann fortgesetzt werden. So wird die EnAW auch in Zukunft ihre Beratungstätigkeit anbieten können und die Schweizer Unternehmen weiter darin unterstützen, ihren Stromverbrauch und ihre Treibhausgase zu reduzieren.

Klimaschutz und Energieversorgung hängen zusammen

Eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Kosten ist ein Schlüsselfaktor für die Schweizer Industrie. Die Versorgungssicherheit muss auch künftig ununterbrochen gewährleistet sein, auch bei einer sich abzeichnenden Strom- und Gasmangellage. Denn wird in der Schweiz die Energie knapp, ergreifen Bund und Kantone Massnahmen zur Einschränkung des Verbrauchs, mit massiven Einschnitten für die produzierende Industrie.

In diesem Fall kann zum Beispiel der Handel von Kontingenten ein pragmatischer Weg sein, um die Wirtschaft teilweise zu entlasten. Konkret heisst das: Reduziert ein Unternehmen aus Kostengründen seinen Energiebezug, kann es diese eingesparte Menge an andere Gesellschaften verkaufen. Grossverbraucher mit hohem Energieverbrauch können im Gegenzug die so verfügbar gewordenen Verbrauchsrechte erwerben.

Gute Rahmenbedingungen und richtige Anreize

Auch könnte eine zu konservative Regulierung des Einsatzes von Notstromanlagen im Falle einer Energiemangellage der Industrie zum Verhängnis werden. Deshalb sind hier Pragmatismus und unternehmerisches Denken angesagt: Notstromanlagen können während einer sich abzeichnenden Energiemangellage einen wichtigen Beitrag zur Stromnetzstabilität und zur Gasverbrauchsreduktion leisten.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie will auch künftig ihren Beitrag zur Erfüllung der Schweizer Klimaziele leisten und dabei ein verlässlicher Partner bleiben. Hierfür müssen jedoch auch die Rahmenbedingungen stimmen. Mit Blick auf die Politik bedeutet dies: die Energiezukunft umfassender denken, technologisch breit abgestützte Lösungsansätze ermöglichen und dabei auf die richtigen verhaltensökonomischen Anreize setzen. So werden wir die anspruchsvollen Energie- und Klimaziele, die sich die Schweiz gesetzt hat, so effektiv und effizient wie möglich erreichen können.

Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor scienceindustries, Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences


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