Dossiers - Wettbewerbsfähigkeit
Übersicht und Position zur Wettbewerbsfähigkeit
10.11.2023
Die Schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie gehört hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit zur Weltspitze und hat für das Wachstum und den Wohlstand der Schweiz eine grosse Bedeutung. Um diesen Spitzenplatz zu verteidigen und den Schweizer Wohlstand zu fördern ist sie jedoch auf wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen - national wie auch international - angewiesen.
In Sachen Wettbewerbsfähigkeit gehört die Schweiz stets zu den Top-Nationen. Im Ranking der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD von 2022 musste die Schweiz jedoch den ersten Platz an Dänemark abtreten. Die Schweiz steht neu auf Platz zwei. Dabei bleibt die Schweiz in einigen Bereichen erstklassig. Zum Beispiel in den Bereichen Funktionsfähigkeit des Staates oder Infrastruktur. Zudem schneidet die Schweiz auch gut ab, wenn es um die Unternehmungsleistung geht (Platz vier). Das Land schwächelt jedoch bei der Wirtschaftsleistung, wo die Schweiz nur Platz 30 belegt. Das vor allem aufgrund des hohen Preisniveaus, welches traditionell schlechter abschneidet.
Der 2023 zum vierten Mal von BAK Economics im Auftrag von scienceindustries veröffentlichte Global Industry Competitiveness Index (GICI) misst die Wettbewerbsfähigkeit in vier Domänen: «Performance», «Marktstellung & Leistungsfähigkeit», «Innovation & Technologieführerschaft» sowie «Standortqualität». Die Schweiz liegt in diesem Jahr wie in den Vorjahren auf dem dritten Rang und muss sich nur Irland und den USA geschlagen geben. Wie sonst kein anderes Land zeigt die Schweiz ein sehr ausgewogenes Stärkenprofil.
Für ein rohstoffarmes Land wie die Schweiz ist die Wettbewerbsfähigkeit ein entscheidender Faktor, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu bestehen. Im Zeitalter der internationalen Arbeitsteilung und den globalen Wertschöpfungsketten gibt es grundsätzlich verschiedene Strategien, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu bestehen. Aufgrund des hohen Lohn- und Kostenniveaus sind international ausgerichtete Unternehmen in der Schweiz in besonderem Masse darauf angewiesen, sich durch Qualität und Produktinnovationen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Jedoch spielen auch externe Faktoren, die sich auf den Wirtschaftsstandort Schweiz allgemein auswirken, eine entscheidende Rolle. Zu nennen sind hier insbesondere steuer- und zollrechtliche Vorgaben, internationale Handelsabkommen und gute Beziehungen zur Europäischen Union.
Internationale Steuerreform zielt auf Schweizer Standortvorteil
Seit längerem wird innerhalb der OECD an der Neuverteilung der Unternehmenssteuererträge gearbeitet. Die vorgeschlagenen Steuermodelle wollen, dass internationale Konzerne – von denen die Schweiz namhafte Steuerzahlungen vereinnahmt – einen grösseren Teil ihrer Gewinne in den Ländern der Absatzmärkte versteuern. Während diese mehr erhalten, sollen jene Staaten weniger bekommen, in denen gemäss den 2015 verabschiedeten Base Erosion and Profit Shifting - kurz BEPS-Vorgaben - die Wertschöpfung erfolgt. Für scienceindustries ist es zentral, dass die Schweiz bei der Ausgestaltung der neuen Vorgaben aktiv mitwirkt. Allenfalls ergeben sich aus der Neugestaltung der Unternehmensbesteuerung sogar neue Chancen für die Schweiz: Ein (nicht allzu) tiefer allgemeiner Steuersatz verbunden mit international akzeptierten Lösungen zur Förderung von Forschungsaktivitäten dürften einen aussichtsreichen Weg zur Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs der Schweiz darstellen.
Abschaffung der Industriezölle stärkt Wirtschaftsstandort
In unsicheren Zeiten, in denen die globalen Risiken für die Schweizer Wirtschaft steigen, die Margen sinken und der internationale Wettbewerb zunimmt, kann die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz mit der Abschaffung der Industriezölle und administrativen Hürden erheblich erhöht werden. Es ist nun wichtig und dringend, die Wirtschaft mit einfachen, nachweislich und breit wirksamen Instrumenten zu unterstützen und ein Zeichen gegen Abschottungstendenzen auf internationaler Ebene zu setzen. Der Industriezollabbau verbessert die Rahmenbedingungen für Schweizer Unternehmen langfristig und dauerhaft. Auf die Einführung neuer, handelshemmender Regulierungen, ist zu verzichten.
Bilaterale sind zentrale Rahmenbedingungen für unsere Industrie
Aus der Perspektive der forschungsintensiven, exportabhängigen chemisch-pharmazeutischen Industrie sind die bestehenden bilateralen Abkommen mit der EU ein wichtiger Standortfaktor ohne Aussicht auf eine gleichwertige Alternative. Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist mit einem Exportanteil von knapp 50% die grösste Exportindustrie der Schweiz und damit ein wesentlicher Eckpfeiler deren Wirtschaft. Mit einem Anteil von über 47% an den Gesamtexporten und einem Anteil von rund 70% an den Gesamtimporten der Chemie Pharma Life Sciences Industrien ist die EU der wichtigste Handelspartner. Die Bilateralen Abkommen sind eine Voraussetzung für den geregelten Zugang zum EU-Binnenmarkt und damit ein wichtiger Standortfaktor für internationale Unternehmen in der Schweiz.
Für die Industrien Chemie Pharma Life Sciences sind insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung:
- Der Abbau technischer Handelshemmnisse,
- die Personenfreizügigkeit sowie
- die Forschungszusammenarbeit.
Dementsprechend erhoffen sowohl Wirtschaft als auch Wissenschaft eine baldige Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU, sodass langfristig tragfähige Beziehungen und damit Rechts- und Planungssicherheit geschaffen werden.
Forschung und Innovation braucht qualifizierte Fachkräfte
Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist überaus forschungsintensiv und innovationsstark. Umso mehr sind unsere Industrien auf hoch qualifizierte Fachkräfte angewiesen. Ausländische Arbeitskräfte sind bei den Mitarbeitenden mit Hochschulabschluss sowie in der Forschung und Entwicklung stark vertreten. Das Akquirieren ausländischer Fachkräfte hilft, den Folgen der demographischen Alterung entgegenwirken, fördert den Wissensaustausch sowie Talente und trägt zur Steigerung der Produktivität und zu mehr Steuereinnahmen bei. Die Arbeitsmigration aus der EU hat hierbei keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungsaussichten von Inländern.
Zugleich tut die Schweiz gut daran, sich bereits heute für die Zukunft zu rüsten und den strukturellen Fach- und Arbeitskräftemangel mit frühzeitigen Massnahmen zu lindern. Dazu gehören insbesondere:
- Förderung von MINT-Berufen: Ausbildung und Berufe im MINT-Bereich müssen gefördert werden, inkl. weiblichem Anteil in den MINT-Berufen oder Förderung der Berufsbildung wie bspw. zum Chemie- und Phama-Technologen.
- Akquirierung ausländischer Fachkräfte und Talente: Es braucht verschiedenste Bemühungen, um die Attraktivität der Schweiz für ausländische Fachkräfte und Talente zu erhöhen und die Hürden für Unternehmen möglichst abzubauen.
- Geeignete Rahmenbedingungen schaffen: Dazu gehören insbesondere geregelte Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU, die bessere Ausschöpfung des Fachkräftepotenzials aus Drittstaaten, ein vereinfachter Verbleib von ausländischen Studierenden nach Abschluss, weniger Hindernisse bei der grenzüberschreitenden firmeninternen Mobilität sowie eine stärkere Digitalisierung von Bewilligungsprozessen.
Schutz Geistigen Eigentums als Basis für Innovation
Der Patentschutz ermöglicht innovativen Unternehmen, die hohen Investitionskosten zu tragen, die für Forschung und Entwicklung notwendig sind. Ohne den Anreiz des Patentsystems gäbe es die Schweizer Innovationskraft nicht. Das Patentsystem ist somit das Herzstück des Erfolgs innovativer Schweizer Unternehmen, weil das Patent den Erfinder davor schützt, dass ein Dritter die patentierte Erfindung ohne Erlaubnis des Patentinhabers kommerziell nutzt.
Es ist unerlässlich, dass sich die Schweiz für ein griffiges Patentregelwerk einsetzt, zum Beispiel im Rahmen von Freihandelsabkommen. Die Life-Sciences-Industrie, aber auch andere Industriezweige, setzen sich stark dafür ein, dass die Schweiz sowie die EFTA eine klare Position zur Sicherung von Patenten und anderen geistige Eigentumsrechten einnimmt. Zugleich muss das Schweizer Patentsystem international hohes Ansehen geniessen, damit es ein gutes Beispiel für Länder sein kann, die ihre Volkswirtschaften auf mehr Innovation ausrichten wollen.
Die Regelungen im TRIPS-Übereinkommen der WTO bieten hierbei eine gute rechtliche Grundlage für die internationale Harmonisierung im Bereich des Schutzes von Geistigem Eigentum. Zwangslizenzen aufzuheben, schafft jedoch einen gefährlichen Präzedenzfall und sendet ein falsches Signal an innovative Unternehmen. Um die Fähigkeit der Gesundheitssysteme, sich auf zukünftige Pandemien vorzubereiten, nicht aufs Spiel zu setzen, darf keine Ausweitung des Vakzin-TRIPS-Beschlusses auf COVID-19-Therapeutika und -Diagnostika stattfinden.
Wir müssen unsere Trümpfe in der Hand behalten
Die Unternehmen der scienceindustries gehören global gesehen zu den Technologieführern und haben gute Voraussetzungen, auch in Zukunft erfolgreich im Innovationswettbewerb zu bestehen. Doch als Global Player überprüfen diese Unternehmen auch in der Schweiz laufend die Zweckmässigkeit ihrer Strukturen und die Nachhaltigkeit ihrer Standortbedingungen. Gegenwärtig bewerten sie die Rahmenbedingungen hierzulande immer noch als sehr günstig. Das belegen die milliardenschweren Investitionen in die hiesige Forschungsinfrastruktur. Die Herausforderungen sind eher auf der politischen Ebene zu finden. Der Nimbus des Wirtschaftsstandorts Schweiz als Garant (wirtschafts-) politischer Stabilität und Rechtssicherheit hat im Zuge verschiedener Abstimmungen in den vergangenen Jahren gelitten.
Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der Chemie Pharma Life Sciences 2024
Gastkommentar NZZ zur Industriepolitik: Direktor Stephan Mumenthaler