Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

Dossiers - Wettbewerbsfähigkeit

Gastkommentar NZZ zur Industriepolitik: Direktor Stephan Mumenthaler

28.08.2024

Industriepolitik ist im Trend, Subventionen und Protektionismus weit verbreitet. Die Schweiz muss dagegenhalten – unserer Wettbewerbsfähigkeit zuliebe.

Immer wieder versuchen Staaten, bestimmte Branchen und Technologien mit Fördermassnahmen zu unterstützen und so die Wirtschaft nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Mit dem Globalisierungsschub der 80er- und 90er-Jahre dominierte der Glaube an Wettbewerb und freien Markt. Im Zuge zunehmender geopolitischer Spannungen erleben wir die Rückkehr zu Subventionen und Marktprotektionismus, wovon sich Gross- und Regionalmächte eine Stärkung ihrer Position erhoffen.

Gefährdung von Wettbewerb und Innovation

Doch diese Industriepolitik ist ein Eigentor: Sie führt zu Wettbewerbsverzerrungen und hält ineffiziente Unternehmen künstlich am Leben. Zugleich bremst sie Innovationskraft und Unternehmertum, weil grosse finanzielle Ressourcen gebunden werden, die für langfristig nachhaltiges Wachstum besser in Bildung, Forschung und Infrastruktur investiert würden.

Die Bevorzugung bestimmter Industrien kann zudem – wie aktuell der Fall – zu internationalen Handelskonflikten führen. Dies schadet in erster Linie kleinen offenen Volkswirtschaften wie der Schweiz. Ihre hohe Abhängigkeit belegen ein Handelsüberschuss von jährlich 40 Milliarden sowie einem Anteil der Exporte von Gütern und Dienstleistungen am Schweizer BIP von rund 75 Prozent.

Kluge Anreize für mehr Markt und weniger Staat

Das effizienteste Instrument, um den internationalen Handel zu beflügeln, sind multilaterale Verträge. Den Rahmen dafür bietet die WTO mit verbindlichen Vereinbarungen beim Zollabbau, bei Handelsverfahren oder dem Schutz geistiger Eigentumsrechte. Auch die offizielle Schweiz setzt sich begrüssenswerterweise für die Stärkung dieser multilateralen Mechanismen ein und baut ihr Netz von Freihandels- und bilateraler Abkommen laufend aus.

Angesichts der aktuellen globalen Entwicklungen braucht es auf nationaler Ebene umso mehr keine Industriepolitik. Statt Subventionen und Marktabschottungen braucht es stabile unternehmens- und forschungsfreundliche Rahmenbedingungen sowie möglichst wenig staatliche Eingriffe. Gerade Chemie, Pharma und Life Sciences sind aufgrund langer Innovationszyklen darauf angewiesen.

Schweiz gerät ins Hintertreffen

Allein die Pharmabranche investierte 2022 rund 7 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung in der Schweiz. Anreizsysteme müssen deshalb zwingend Innovation ermöglichen: Beispiele dafür sind die Zulassung neuartiger Arzneimittel, die Digitalisierung des Gesundheitswesens oder neue Methoden in der Biotechnologie – doch leider gerät die Schweiz gerade in diesen drei genannten Bereichen zunehmend ins Hintertreffen.

Umso mehr benötigt die Schweizer Industrie eine harmonisierte Regulierung mit dem Ausland. Dazu gehören ein diskriminierungsfreier Marktzugang, ein innovations- und technologiefreundliches Umfeld, ein starker Schutz des geistigen Eigentums sowie die Vermeidung vorauseilender Swiss Finish-Lösungen, zum Beispiel im Bereich der Chemikalienregulierung.

Fokus auf Massnahmen aus eigener Kraft

Fazit: Die Schweiz tut im ureigenen Interesse gut daran, Industriepolitik eine Absage zu erteilen. Ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt sie auf globaler Ebene mit multilateralen Mechanismen wie der WTO sowie einem engmaschigen Netzwerk von Abkommen, auf nationaler Ebene durch gezielte Anreize und die Beseitigung regulatorischen Hindernisse. Diese bilden das Fundament des wirtschaftlichen Erfolgs unser rohstoffarmen, aber an grauer Masse reichen Volkswirtschaft.

Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor scienceindustries, Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences


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