
Dossiers - Zollpolitik und Freihandel
US Zollpolitik und Auswirkungen auf die Chemie- und Pharmaindustrie
14.05.2025
Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für die Schweizer Industrien Chemie, Pharma und Life Sciences. Die bereits umgesetzten respektive angedrohten Zollerhöhungen könnten jedoch Produktionskosten und Preise steigern sowie Lieferketten unterbrechen, was die Verfügbarkeit essenzieller Medikamente gefährden würde. Protektionistische Massnahmen und mögliche Gegenmassnahmen der EU könnten Handel und politische Beziehungen belasten. Die Auswirkungen auf den Produktionsstandort Schweiz sind aktuell noch unklar.
Die USA sind für unsere Mitglieder der chemisch-pharmazeutischen Industrie die wichtigste Exportdestination. Sowohl bei den Exporten (63.9 Prozent an Gesamtausfuhren) in die USA wie auch bei den Importen (42.9 Prozent an den Gesamteinfuhren) aus den USA belegen die Produkte der chemisch-pharmazeutischen Industrie im Warenhandel Rang 1. Im Jahr 2024 trugen pharmazeutische Produkte, Vitamine und Diagnostika 94.2 Prozent der Gesamtausfuhren unserer Industrien in die USA bei, während organische Roh- und Grundstoffe 2.4 Prozent und Pflanzenschutzmittel 1.9 Prozent ausmachten. Rund 94 Prozent der Warenausfuhren können zollfrei in die USA importiert werden.
Gefährdung der Medikamentenversorgung durch Zollerhöhungen
Die der Schweiz angedrohten Zollerhöhungen von 10 (Basiszoll) respektive 31 Prozent (reziproke Zölle)haben, je nach der Art des exportierten Gutes (wie z.B. Alleinstellungsmerkmal, Versorgungsrelevanz) sowie dem Businessmodell der Unternehmen, unterschiedliche Auswirkungen. Zölle auf Arzneimittel, deren Wirkstoffe und Ausgangsmaterialien führen unweigerlich zu steigenden Produktionskosten und gefährden so die Verfügbarkeit essenzieller Medikamente. Zudem führen Zölle in der Regel zu höheren Preisen für den Warenempfänger.
Eine Unterbrechung der etablierten Lieferketten könnte Versorgungsengpässe verursachen, insbesondere bei kritischen Arzneimitteln. Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, dass funktionierende Lieferketten essenziell sind, um die Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln sicher zu stellen. Die US-Pharmaindustrie ist stark von globalen Zulieferern abhängig, insbesondere von hochspezialisierten Unternehmen in der Schweiz und der EU. Protektionistische Massnahmen dieser Art könnten den Zugang von Patienten zu notwendigen Therapien erheblich erschweren und verteuern.
Auswirkungen auf Preise, Verträge und Wettbewerbsfähigkeit
In Anbetracht der Höhe der bereits umgesetzten und angedrohten Zölle könnten Unternehmen sich veranlasst sehen, Preiserhöhungen in Betracht zu ziehen. Preiserhöhungen für betroffene Produkte sind aufgrund von administrierten Preisen jedoch nicht in jedem Falle möglich. Das könnte in den Verhandlungen mit internationalen Kunden zu Preiserhöhungen führen, die selbstverständlich nicht immer akzeptiert werden. Unternehmen, die langfristige Verträge mit Exportpartnern haben, müssen möglicherweise bestehende Vereinbarungen neu verhandeln, um die neuen Kosten abzudecken. Handelt es sich um Produkte mit einem Alleinstellungsmerkmal, werden diese sicherlich leichter zu realisieren sein als bei Produkten mit zahlreichen Anbietern und Mitbewerbern.
Die Schweiz ist ein zentraler Akteur in der pharmazeutischen Industrie, und Handelshemmnisse könnten bestehende Lieferketten stören sowie die Produktionskosten steigern. Dies würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Branche beeinträchtigen, sondern auch negative Folgen für Forschung, Entwicklung und Innovation mit sich bringen. Im Ergebnis werden die Patienten darunter am meisten leiden.
Auswirkungen auf den Produktionsstandort Schweiz
Die USA ist der wichtigste Pharmamarkt. Einige Unternehmen haben vor Kurzem Investitionen in den USA angekündigt. Inwieweit sich dies auf den Produktionsstandort Schweiz auswirken wird, lässt sich aktuell nicht abschätzen. Kurzfristig sind keine Auswirkungen zu erwarten, langfristig hängt es davon ab, welche Produkte für welche Märkte in den USA respektive in den USA produziert werden sollen.
Die Schweiz inmitten protektionistischer Massnahmen
Die Zollanhebungen auf Produkte zielen auf einzelne Länder ab - einige betroffene Länder haben bereits entsprechende Gegenmassnahmen in Form von Gegenzöllen oder Exportrestriktionen angekündigt (Bsp. EU) respektive umgesetzt (Bsp. China). Dies führt, je nach Ausgestaltung dieser Massnahmen, zu einer erheblichen Störung etablierter Lieferketten. Eine Eskalierung, die in einem Handelskrieg münden könnte, der nicht nur Unternehmen in der Schweiz, sondern auch Tochtergesellschaften und Kunden in Ländern, die den US-Markt beliefern, betreffen würde, muss verhindert werden. Es muss sichergestellt werden, dass die Schweiz nicht von möglichen Gegenmassnahmen der EU betroffen ist. Die Erfahrungen mit den EU-Stahlschutzmassnahmen haben gezeigt, welche Auswirkungen dies haben kann. Daher ist ein intensiver Austausch mit den zuständigen Behörden unerlässlich. Auf aussenpolitischer Ebene ist sicherzustellen, dass die Schweiz von jedweden Gegenmassnahmen ausgenommen würde.
Die EU-Gegenmassnahmen müssen derart ausgestaltet sein, dass die Schweiz von diesen ausgeschlossen ist. Allenfalls droht sonst, dass die Zustimmung der Bevölkerung zu den Bilateralen III, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Volksabstimmung zum Verhandlungspaket Schweiz-EU, negativ beeinflusst wird. Die EU ist unser wichtigster Handelspartner: Mehr als 50 Prozent unserer Exporte gehen in die EU, und über drei Viertel aller chemisch-pharmazeutischen Produkte stammen aus der EU. Daher ist ein ungehinderter Zugang zum EU-Binnenmarkt von zentraler Bedeutung.
Politik und Verwaltung sind gefordert
Die Schweizer Unternehmen brauchen Planungs- und Rechtssicherheit und gute Rahmenbedingungen, um sich im globalen Wettbewerb behaupten zu können. Dabei sind Faktoren wie die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Arbeitskräfte, Versorgungssicherheit mit erschwinglicher Energie, schlanke Regulierungen sowie deren pragmatische Umsetzung und eine gute Anbindung an alle Schlüsselmärkte, von zentraler Bedeutung.
Die Schweiz muss die steuerliche Planbarkeit sicherstellen, Innovationen auch im Inland honorieren und damit rasch verfügbar machen sowie eine visionäre Strategie für gute Rahmenbedingungen in Bereichen mit hohem Innovationspotenzial entwickeln.
Die zunehmende Regulierungsdichte und hohe Energiekosten in der Schweiz sind Herausforderungen für Unternehmen. Dementsprechend gilt es, auf unnötige Regulierungen und zusätzliche finanzielle Belastungen für Unternehmen zu verzichten – Vorlagen, welche die Schweizer Unternehmen potenziell zusätzlich belasten könnten, müssen einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Auf Technologieverbote gilt es zu verzichten, um die Position der Schweiz als führender Innovationsstandort zu erhalten.
Aus Sicht von scienceindustries sollten Wirtschaft und Politik gemeinsam Massnahmen ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Standortattraktivität der Schweiz zu sichern und zu stärken:
• Politisch gilt es, Handelshemmnisse konsequent abzubauen, keine die Unternehmen belastenden neuen Regulierungen einzuführen und die Stabilität der Beziehungen zur EU durch Weiterführung der Bilateralen III sowie zu wichtigen globalen Handelspartnern zu sichern. Ein klares politisches Commitment zu offenen Märkten und WTO-konformem Freihandel ist entscheidend.
• Wirtschaftlich empfehlen wir Unternehmen, die Diversifizierung von Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie die Resilienz der Lieferketten gezielt zu verbessern und verstärkt auf Innovation, Digitalisierung sowie Effizienzsteigerungen zu setzen.
scienceindustries setzt sich daher dafür ein, dass die Schweiz weiterhin entschieden für offene Märkte, stabile internationale Handelsregeln und konstruktiven Dialog auf allen Ebenen eintritt.

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