Innovation & Nachhaltigkeit
Geistiges Eigentum braucht Schutz auf internationaler Ebene
Der Schutz geistigen Eigentums muss durch internationale und allgemeingültige IP-Standards gleich lange Spiesse schaffen. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft von Forschungsstandorten wie der Schweiz.
20.03.2024
Geistiges Eigentum (engl.: Intellectual Property, kurz: IP) ist eine entscheidende Triebkraft für die Fortschritte in Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft. In der Schweiz, einem Land, das kontinuierlich auf globalen Innovationsindizes an der Spitze steht, spielt der Schutz geistigen Eigentums eine zentrale Rolle als Voraussetzung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
IP-Schutz ist Voraussetzung für Innovation
Geistiges Eigentum erstreckt sich über verschiedene Kategorien wie Urheberrecht, Marken, Patente, Designschutz und geographische Herkunftsangaben wie bspw. Swissness. Derartige immaterielle Vermögenswerte werden durch Gesetze geschützt, die darauf abzielen, Kreativität, Innovation und fairen Wettbewerb zu fördern. So soll Urhebern und Erfindern das Recht gewährt werden, die Früchte ihrer geistigen Arbeit zu kontrollieren und zu nutzen.
Die Schweiz hat sich über die Jahrzehnte immer mehr zu einem internationalen Forschungs- und Innovationshub entwickelt. So ist sie ein weltweiter Führer im Bereich Patentanmeldungen. Die hohe Investition in Forschung und Entwicklung ist entscheidend für den volkswirtschaftlichen Erfolg. Die Industrien Chemie Pharma Life Sciences leisten hierbei rund 40 Prozent an privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung (CHF 6.7 Mrd. im Jahr 2021 laut BFS). Über ein Drittel der gesamten F&E-Aufwendungen der Schweiz fliesst in die Biotechnologie. Diese Investitionen sind jedoch wirtschaftlich nur vertretbar, wenn ein weltweit starker Schutz der Rechte am geistigen Eigentum gewährleistet ist.
Die Entwicklung eines Arzneimittels mit einem neuen Wirkstoff erfordert etwa 8-12 Jahre, durchläuft zahlreiche Fehlversuche und umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsphasen. Investitionen von mehreren hundert Millionen bis zu zwei Milliarden Schweizer Franken sind keine Seltenheit. So spielt der Patentschutz eine entscheidende Rolle bei der Kompensation dieser hohen Investitionen und ermöglicht es Unternehmen und Forschungsanstalten, langfristig in Innovationen zu investieren. Ohne solche Schutzmechanismen für Investitionen und Anreizsysteme für Forschung und Entwicklung gäbe es mittel- und langfristig kaum Innovationen.
Bestrebungen zur Aushöhlung internationaler Standards
Das internationale Abkommen TRIPS legt Standards für den Schutz geistigen Eigentums fest, um fairen globalen Wettbewerb zu gewährleisten. Auf Drängen bestimmter Entwicklungsländer wurde an der zwölften Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO im Juni 2022 ein TRIPS Waiver beschlossen (scienceindustries - WTO-Beschluss zum TRIPS-Abkommen). Keine Unterstützung fand indes eine Ausdehnung des Waivers auf Covid-19 Diagnostika und Therapeutika, wie die 13. Ministerkonferenz der WTO im Februar 2024 zeigte.
Doch Bestrebungen zur Aushöhlung multilateraler Standards zum Schutz geistigen Eigentums bleiben weiterhin bestehen. So wird derzeit im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation WHO ein Verhandlungstext für das "WHO-Pandemieabkommen" diskutiert (INB process (Zero Draft)). Das ursprüngliche Ziel, Mechanismen zur effektiven Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zu stärken, wird jedoch durch den vorliegenden Textentwurf gefährdet. Denn dieser enthält Inhalte, die den Schutz des geistigen Eigentums schwächen, Investitionen in medizinischen Fortschritt behindern und somit die künftige Versorgung der Weltbevölkerung in Gesundheitskrisen gefährden könnten.
Die vorgeschlagenen Massnahmen der WHO konzentrieren sich fälschlicherweise auf die Aushöhlung des geistigen Eigentumsschutzes und den Aufbau eines staatlichen Forschungs- und Produktionsökosystems, anstatt sich auf zentrale Probleme wie den Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bevölkerungsaufklärung und mangelhafte Gesundheitssysteme zu konzentrieren. Der internationale Pharmaverband IFPMA hat eindrücklich aufgezeigt, weshalb dieser Ansatz seitens der innovativen Industrien verworfen wird: Stellungnahme IFPMA zum WHO Pandemic Accord.
Verankerung von IP in Freihandelsabkommen
Einerseits bestehen stetige Bestregungen, die multilateralen Mechanismen zum Schutz geistigen Eigentums auszuhöhlen, andererseits lassen diese internationalen Mindeststandards viel Spielraum auf nationaler Basis zu. Denn oft ist entscheidend, wie IP-Schutz auf nationaler Basis ausgelegt und umgesetzt wird. So halten sich Länder zwar an die zwanzig Jahre gültigen Patente, wie dies TRIPS vorschreibt, doch gilt kein Patentschutz für kleinere Veränderungen an Medikamenten. Ausserdem besitzen Länder wie Indien nicht dieselben Auflagen betreffend Unterlagenschutz. So müssen indische Nachahmerprodukte keine aufwendigen und teuren Studien ausweisen.
In Freihandelsabkommen soll folglich festgehalten werden, dass Schweizer Unternehmen gegenüber lokal-ansässigen Unternehmen nicht diskriminiert werden dürfen. Den Unternehmen soll mehr Rechtssicherheit in Bezug auf Zwangslizenzmassnahmen gegeben werden. Generell ist wichtig, dass die minimalen TRIPS-Standards mit klaren Definitionen in Freihandelsabkommen verankert werden. Dies schliesst die international gängige Interpretation des TRIPS-Abkommens — so z.B. zum Unterlagenschutz — mit ein, die Partnerländer inkorporieren sollen.
Wo multilaterale Vereinbarungen und Standards zu kurz greifen, muss die Schweiz als Innovations- und Forschungshochburg schauen, dass der IP-Schutz mittels bilateraler Freihandelsabkommen gestärkt werden kann. Diese Abkommen bieten flexiblere, auch länderspezifische Regelungen, zusätzlichen Schutz für Investitionen und effektivere Durchsetzungsmöglichkeiten im Vergleich zum allgemeinen Standard des TRIPS-Abkommens. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von IP-Kapiteln in Freihandelsabkommen mit Partnerländern, um auf globaler Ebene gleich lange Spiesse zu schaffen.
Die Schweiz hat internationale Vorreiterrolle inne
Um einen internationales Level-Playing-Field zu gewährleisten, ist der Schutz und die Durchsetzbarkeit von geistigem Eigentum auf internationaler Ebene essenziell. Hierbei obliegt der Schweiz eine Vorreiterrolle beim IP-Schutz – dies aus Eigeninteresse, zumal die Schlüsselindustrien darauf angewiesen sind. Ein hohes Bewusstsein bei der Öffentlichkeit sowie bei politischen Entscheidungsträgern für den Schutz geistigen Eigentums ist hierfür wichtig.
Der Standort Schweiz darf seine internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren: Denn eine schleichende Aushöhlung des Schutzes des geistigen Eigentums wird weitreichende negative Auswirkungen nicht nur auf den Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz haben, sondern auch auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in zukünftigen Gesundheitskrisen. Hierfür muss die Schweiz in den entsprechenden Gremien und Foren auf internationaler Ebene einstehen.
Alleine wird sich die Schweiz auf globaler Ebene jedoch kaum durchsetzen können. Es gilt, eine starke Koalition gleichgesinnter Staaten zum Schutze geistigen Eigentums zu bilden. Nur gemeinsam können wirtschaftliche Kerninteressen auf internationaler Ebene effektiv verteidigt werden.