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Die Wissensnation Schweiz braucht die EU-Forschungsprogramme
Die Schweiz ist auf die EU-Forschungsprogramme angewiesen – das zeigt eine neue Studie im Auftrag von scienceindustries. Sie liefert Fakten zur Wirkung des eingeschränkten Zugangs zu Horizon Europe und zur Bedeutung einer Wiederassoziierung.
14.05.2025
Die Wissensnation Schweiz ist auf die EU-Forschungsprogramme angewiesen. Das zeigt eine breit angelegte Studie, die heute in Bern vorgestellt wurde. scienceindustries, der Wirtschaftsverband Chemie, Pharma und Life Sciences hat die Studie in Auftrag gegeben, um die konkreten Auswirkungen des eingeschränkten Zugangs zu Horizon Europe für die Schweiz einzuschätzen – und schafft damit eine fundierte Grundlage für die politische Debatte zur Wiederassoziierung.
«Die Schweiz gehört zu den innovativsten Ländern der Welt. Doch Innovation gedeiht nicht im nationalen Alleingang, sondern sie braucht zwingend den internationalen Austausch», warnt Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor von scienceindustries. Die im Auftrag von scienceindustries durchgeführte Studie, untersuchte welchen Mehrwert die Forschungsprogramme der Europäischen Union (EU) für die Schweiz schaffen und welche Effekte die eingeschränkte Beteiligung der Schweiz zwischen 2021 und 2024 hatte. Die Studie bringt erstmals Perspektiven aus Hochschulen, Start-ups und Industriebetrieben zusammen. Sie zeigt: Der Nutzen einer vollen Assoziierung ist sektorenübergreifend und liegt im natio-nalen Interesse.
Mehrwert der EU-Programme ist eindeutig
Die Studie macht abstrakte Risiken greifbar. Die Autorinnen Dr. Dr. Barbara Haering und Sandra Wirth haben zahlreiche Expertinnen und Experten befragt und internationale Wirkungsmodelle ausgewertet. Das Ergebnis ist klar: Die EU-Forschungsprogramme bringen der Schweiz einen spürbaren wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen. Zwar konnten die Übergangsfinanzierungen zwischen 2021 und 2024 kurzfristig negative Effekte abdämpfen – den strukturellen Schaden verhindern sie nicht.
Die RHOMOLO-Simulation, die in der EU für die Abschätzung der Folge politischer Massnahmen verwendet wird, zeigt zudem, dass Horizon Europe das BIP in der EU um bis zu 0,17 % (bezogen auf 2020) steigern kann – vor allem durch mehr Produktivität dank höherer Investitionen in Forschung und Entwicklung. Dabei wird deutlich: Forschungsinvestitionen wirken stärker, wenn sie grenzüberschreitend gebündelt werden, statt national vereinzelt zu bleiben.
Eingeschränkte Beteiligung schwächt Wettbewerbsfähigkeit
Diese makroökonomischen Simulationen der EU, das der Studie zugrundeliegende Wirkungsmodell und die Schätzungen des schweizerischen Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (2019) unterstreichen, dass sich die negativen Effekte der eingeschränkten Beteiligung der Schweiz an den EU-Programmen auf die Wettbewerbsfähigkeit der wissensbasierten Industrie insgesamt niederschlagen.
Die Schweiz verlor durch den eingeschränkten Zugang nicht nur einzelne Projekte, sondern an strategischer Präsenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Forschung über Innovation bis hin zu Marktgestaltung und Regulierung. Ihre Interessen waren im europäischen Wissenschafts- und Innovati-onsraum weniger sichtbar, weniger wirksam und weniger eingebunden. Und das in einer Zeit, in der globale Herausforderungen, wie der Klimawandel oder Sicherheitsfragen, nicht mehr im nationalen Kontext gelöst werden können. Besonders behindert waren gemäss Studie junge Forscherinnen und Forscher, Studierende sowie kleine und mittelgrosse Betriebe in Hightech-Branchen. Gerade diese Zielgruppen der EU-Programme sind für die Zukunft der Schweiz relevant.
Aus der Praxis sprach an der Medienkonferenz Dr. Erich Rütsche, Business Development IBM Research. Er unterstrich mit konkreten Beispielen, wie wichtig eine offene Zusammenarbeit in europäischen Projekten für Forschung und Entwicklung ist: «Die langjährige Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeit in Forschungsprogrammen sowohl auf europäischer wie auch auf schweizerischer Ebene konkrete positive Resultate für die Wissenschaft, Wirtschaft und auch Gesellschaft bringt. IBM in Rüschlikon hat zum Beispiel kritische Sicherheitstechnologien im Bereich der quantum-safe encryption hervorgebracht, welche das Rückgrat der IT der Zukunft bilden.»
Anschluss bei Zukunftstechnologien und Digitalisierung sichern
Es bestehen für Forscherinnen und Forscher sowie für Unternehmen weiterhin Planungs- und Rechtsun-sicherheiten bezüglich der Optionen einer Beteiligung an EU-Programmen. Das wirkt sich insbesondere mit Blick auf Projekteingaben von Unternehmen negativ aus.
Eine Vollassoziierung der Schweiz an den EU-Programmen ist auch für die Wettbewerbsfähigkeit Europas relevant – insbesondere in Zeiten zunehmender Blockbildung und verschärfter Konkurrenz zwischen Europa, Asien und den USA. Durch den Ausschluss der Schweiz von zentralen Hightech-Bereichen wie Digitalisierung sowie Zukunftstechnologien wie Quantum, Halbleiter, Space oder Cyber werden letztlich beide Seiten behindert.
Jetzt braucht es politischen Willen
Grundlegende Innovationen basieren auf langfristigen Forschungen und auf Entwicklungen, die öffent-lich gefördert wurden. Forschung und Innovation sind dabei auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen. Die Lösung liegt auf dem Tisch: Eine Assoziierung an Horizon Europe ist möglich – und dringend nötig. Die Schweiz darf sich diese Chance nicht entgehen lassen. Die Entscheidung ist kein technisches Detail, sondern eine zentrale Weichenstellung für Forschung, Wirtschaft und Standortpolitik. Die Zeit drängt. Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor von scienceindustries, zieht ein eindeutiges Fazit: «Die Studie macht deutlich, dass die Wissensnation Schweiz gefordert ist. Wir brauchen eine langfristig stabile und nachhaltig geregelte Beziehung zur Europäischen Union. Die Bilateralen III sind eine einmalige Chance für die Schweiz.»
Weitere Auskünfte:
Stephan Mumenthaler, Direktor
Tel. 044 368 17 20, stephan.mumenthaler@scienceindustries.ch

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