Innovation & Nachhaltigkeit
Über die Anfänge der "Chemischen" in der Schweiz
scienceindustries feierte am 12. März 2022 seinen 140 Geburtstag als Wirtschaftsverband der Chemie Pharma Life Sciences Industrien. Die Branche selbst ist aber bereits rund 100 Jahre länger in der Schweiz aktiv.
16.05.2022
Die erste grosstechnische Gewinnung von Grundchemikalien war bereits in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts möglich. Der sich parallel entwickelnde Anlagen- und Apparatebau einerseits und der Umstand, dass der Transport insbesondere von Säuren in Glasflaschen umständlich und teuer war, führte dazu, dass kleinere Produktionsbetriebe in der Nähe der Verbraucher entstanden.
Chemie als Hilfsindustrie der Textilwirtschaft
Die moderne chemische Industrie der Schweiz hat ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – bei der Synthese der natürlichen und der Herstellung der künstlichen Farbstoffe. So ist überliefert, dass in Winterthur Johann Heinrich Ziegler und Johann Sebastian Clais von 1778 bis 1854 im ersten chemischen Betrieb Schwefelsäure und später weitere Säuren, Chlorkalk und Kupfersulfat vor allem zu Gunsten der Textilindustrie hergestellt wurden. Damit sollte die Abhängigkeit von nicht immer gleich gut verfügbaren natürlichen Farbstoffen verringert werden.
Das damalige französische Patentrecht – das nur Produkte, nicht aber Verfahren Patentschutz gewährte – liess viele französische Chemiker nach England, Deutschland und die Schweiz auswandern. Dabei boten vor allem Basel und Genf als Grenzstädte und aufgrund der wichtigen Transportwege über Flüsse beste Voraussetzungen für die Ansiedelung chemischer Produktionsbetriebe. So konnte der steigende Bedarf an Energie für die Produktion, die Anlieferung von Rohstoffen und der Abtransport der Endprodukte besonders gut gewährleistet werden.
Fokus auf Spezialitätenchemie
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von zahlreichen Gründungen, Übernahmen und Fusionen, aber auch schwierigen Zeiten: So verstanden die führenden Köpfe in den 1870er Jahren, dass die Schweizer chemische Industrie einen eigenen Weg gehen muss, um sich gegenüber der internationalen Konkurrenz, vor allem aus Deutschland, abzuheben. Sie fanden diesen Weg bei den Spezialitäten und Nischenprodukten.
Anfänglich waren dies fast ausschliesslich spezielle, hochwertige Farbstoffe auf Basis von Teer, später kam die Bereitstellung von Basischemikalien wie Acetylen, Ammoniak und Blausäure hinzu, die ihrerseits neue Synthesewege ermöglichten und einer aufkommenden Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe den Weg bereiteten. Entscheidend für diese Entwicklung war auch, dass diese hochstehende Chemie im Gegensatz zur Massenproduktion einen hohen Forschungsstandard, gut ausgebildete Mitarbeiter und immer komplexere Fertigungsanlagen bedingten.
Zudem schlossen sie sich in einer gemeinsamen Interessenvertretung zusammen. 1882 wurde scienceindustries, damals unter dem Namen Schweizerische Gesellschaft für chemische Industrie SGCI, gegründet. Der Anstieg der Mitglieder von scienceindustries ist eindrücklich und illustriert die stetig gestiegene Relevanz unserer Industrien für die Gesamtwirtschaft: An der Gründungsversammlung 1882 nahmen erst 41 Unternehmen teil, 1914 waren es bereits 134 Mitglieder und 1957, anlässlich des 75-jährigen Jubiläums, deren 188.
> Lesen Sie hier das Editorial und Auftakt zur Artikel-Reihe von unserem Direktor Stephan Mumenthaler zum Jubiläum von scienceindustries Chemie Pharma Life Sciences.
> Erfahren Sie im nächsten Beitrag mehr über die Wachstumsraten und den bedeutenden Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Leistung.