Publikationen - Point-Newsletter
Point «Aktuelle Biotechnologie» September 2024 (Nr. 267)
- Pilzresistente Weinreben, wohlschmeckendere Trauben
- Purpurbakterien als Fabrik für Biokunststoff
- Genomeditierung reduziert Euterentzündungen bei Ziegen
- Bundesrat will Spezialgesetz für neue Züchtungsmethoden
30.09.2024
Neue Züchtungsverfahren: Pilzresistente Weinreben, wohlschmeckendere Trauben
Die klassische Züchtung neuer Rebsorten mit verbesserten Eigenschaften ist schwierig. Hierfür sind wiederholte Kreuzungen erforderlich, und die Pflanzen wachsen nur langsam. So kann es 15 –20 Jahre dauern, bis eine neue Sorte entsteht. Ausserdem gehen durch die Vermischung der Eigenschaften der Elternsorten die bewährten Merkmalskombinationen, wie der sortentypische Geschmack der Trauben, verloren. Hier bietet die Genomeditierung, zum Beispiel mit der Genschere CRISPR/Cas9, eine grosse Chance: Sie ermöglicht die präzise Anpassung einzelner Eigenschaften bewährter Sorten, ohne das Gesamtgefüge des Erbguts durcheinander zu bringen. Ein wichtiges Ziel dabei ist die Entwicklung krankheitsresistenter Sorten. So beschreibt ein italienisches Forschungsteam die gezielte Ausschaltung von zwei Weinreben-Genen, die an der Anfälligkeit gegen den falschen Mehltau beteiligt sind. Die so erzeugten Pflanzen wiesen im Treibhaus eine verbesserte Resistenz gegen Pilzinfektion auf. Auch an Verbesserungen der Geschmackseigenschaften wird gearbeitet. Ein US-Forschungsteam zeigt, dass durch eine einzelne punktförmige Genveränderung das typische Muskat-Aroma von Muskatellertrauben auch in der beliebten Tafeltraubensorte «Scarlet Royal» erzeugt werden kann. Weltweit laufen zahlreiche Projekte zur Verbesserung von Weinreben durch Genomeditierung. (mehr…)
Nachhaltigkeit: Purpurbakterien als Fabrik für Biokunststoff
Erdölbasierte Kunststoffe werden zunehmend als Belastung für die Umwelt wahrgenommen. Bei ihrer Verbrennung entsteht das Treibhausgas Kohlendioxyd. Dazu sind sie in der Regel schwer abbaubar, und belasten bei nicht ordnungsgemässer Entsorgung Lebensräume auf dem Land und im Wasser. Daher steigt die Nachfrage nach biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen. Ein US-Forschungsteam stellte jetzt neue Ansätze zur Produktion des Biokunststoffs PHA mit Hilfe von Purpurbakterien vor. Diese können – ähnlich wie Pflanzen – Sonnenenergie nutzen, um Stoffwechselprodukte aus einfachen Grundbausteinen aus der Umwelt aufzubauen. Die Energie dafür fangen sie aber nicht mit dem grünen Blattfarbstoff Chlorophyll, sondern mit purpurfarbenen Pigmenten ein. Die Forschenden konnten zeigen, dass zwei bisher nicht für ihre Eignung als biologische Fabriken für Biokunststoff untersuchte Purpurbakterienarten bei günstigen Wachstumsbedingungen fast die Hälfte ihres Körpergewichts an PHA produzierten. Einer weiteren Purpurbakterienart, die im Labor einfach gezogen werden kann, aber von Natur aus nur sehr wenig PHA erzeugt, konnten sie durch genetische Veränderungen auf die Sprünge helfen. Die verstärkte Produktion eines Stoffwechselenzyms regte hier die PHA-Produktion deutlich an. Die Arbeiten zeigen das Potential von Bakterien für die Produktion nachhaltiger Biokunststoffe und Ansätze für weitere Verbesserungen hierbei auf. (mehr…)
Nutztiere: Genomeditierung reduziert Euterentzündungen bei Ziegen
Die durch Bakterien verursachte Euterentzündung (Mastitis) richtet global grosse Schäden in der Milchwirtschaft an. Sie beeinträchtigt Milchproduktion und -Qualität, das Tierwohl, und verursacht hohe Behandlungskosten. In schweren Fällen ist eine Antibiotikabehandlung erforderlich. Chinesische Forschende zeigen jetzt, wie mit einem innovativen Verfahren der Genomeditierung bei Ziegen die Resistenz gegen Mastitis gesteigert werden kann. Als Werkzeug verwendeten sie als Alternative zum bekannten CRISPR/Cas9 Ansatz das ISDra2-TnpB System, das in tierischen Zellen leichter eingesetzt werden kann. Sie fügten eine kleine genetische Veränderung in das Steuerelement des Ziegen-Gens ein, das für die Produktion des Lysozym-Eiweiss verantwortlich ist. Dieser natürliche Wirkstoff wirkt gegen Bakterien. In den genomeditierten Ziegen, die keine artfremde Erbinformation enthalten, wird die Lysozymproduktion im Euter nach einer Bakterieninfektion stark stimuliert. Dadurch wird die Infektion durch die eigenen Abwehrkräfte des Tieres zurückgedrängt und die Entzündung reduziert, ohne dass hierfür Medikamente erforderlich sind. Der hier erstmals präsentierte Ansatz könnte sich auch für andere Milchtiere, wie Kühe, eignen. Weltweit werden immer mehr Anwendungen der Genomeditierung bei der Züchtung von Nutztieren mit verbesserten Eigenschaften beschrieben. Die ersten derartigen Tiere sind ausserhalb Europas bereits auf dem Markt. Allerdings sind sie bisher weder in der EU noch in der Schweiz zugelassen. (mehr…)
Politik Schweiz: Bundesrat will Spezialgesetz für neue Züchtungsmethoden
Forschung und praktische Anwendungen mit neuen Pflanzen-Züchtungsverfahren wie der Genomeditierung entwickeln sich weltweit rasant weiter. Zahlreiche Länder ausserhalb Europas haben ihre Rechtsrahmen schon dem Stand der Wissenschaft angepasst, und auch in der EU stehen die Anzeichen auf erleichterte Regeln für Pflanzen aus den neuen Züchtungsmethoden. Die Schweiz nahm bei der Regulierung bisher international eine Schlusslichtposition ein. Um die Entwicklungen voranzutreiben, verpflichtete das Parlament im Jahr 2022 den Bundesrat, bis Mitte 2024 einen Regulierungsentwurf vorzulegen. Allerdings kam es immer wieder zu Verzögerungen. Nachdem sich zunächst eine Regulierung der neuen Verfahren im restriktiven Rahmen des bestehenden Gentechnik-Gesetzes abgezeichnet hatte, sorgte der Bundesrat am 4. September 2024 für eine Überraschung: Er möchte neue Züchtungsmethoden in einem Spezialgesetz regeln, das mehr Flexibilität ermöglicht – auch bei allfälligen Anpassungen an die Gesetzgebung wichtiger Handelspartner. Das könnte die Entwicklung innovativer Züchtungsansätze auch in der Schweiz ermöglichen, sowie praxistauglicher Bestimmungen für den Anbau und für den Handel mit Produkten der neuen Züchtungsverfahren. Davon würden sowohl der Innovations- als auch der Wirtschaftsstandort Schweiz profitieren. Zugleich würde die Verfügbarkeit von Pflanzensorten mit verbesserten Eigenschaften, wie zum Beispiel Krankheitsresistenz, eine noch nachhaltigere einheimische Landwirtschaft unterstützen. (mehr…)
Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)