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Point «Aktuelle Biotechnologie» Dezember 2024 (Nr. 270)

  • Evo versteht das Erbgut und erzeugt neue Genschere
  • Gentherapie stärkt versagende Herzen im Tierversuch
  • Hitzestress-tolerante Kartoffeln steigern Erträge
  • Bericht zu Genomeditierung bei Pflanzen

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27.12.2024

Künstliche Intelligenz: Evo versteht das Erbgut und erzeugt neue Genschere

Die Sprache des Lebens ist sehr einfach: Sie besteht nur aus den vier Buchstaben A, C, G und T. Die Abfolge dieser Buchstaben im Erbgut bestimmt die Produktion der Botensubstanz RNA, von Eiweissen, deren Zusammenspiel, um komplexe biologische Strukturen, Zellen, und ganze Organismen zu bilden, und letztlich auch die vernetzten Wechselwirkungen zwischen allen Lebewesen. Wie ist es möglich, mit so einer einfachen Sprache die enorme Vielfalt des Lebens zu beschreiben? Mit Hilfe der künstlichen Intelligenz sind Forschende von der Standford University und dem Arc Institute (USA) dem Verständnis der Sprache des Lebens und ihrer Grammatik ein grosses Stück nähergekommen. Sie trainierten das Sprachmodell Evo mit 2.7 Millionen kompletten Erbgut-Sätzen von Mikroorganismen mit insgesamt 300 Milliarden Buchstaben. Durch den Vergleich verwandter Gene und Erbgut-Abschnitte, die durch den Lauf der Evolution miteinander verknüpft sind, konnte das Modell die Regeln erkennen, wie im Erbgut verschiedene Informationsebenen gespeichert sind und so das Wechselspiel zwischen Komponenten des Lebendigen ermöglichen. Anhand dieser Regeln kann Evo auch völlig neuartige biologische Moleküle vorhersagen, die es so in der Natur nirgendwo gibt. Die Forschenden stellten ihm die anspruchsvolle Aufgabe, mit einer Kombination einer Protein- und einer RNA-Komponente ein CRISPR/Cas9-ähnliches Molekül zu erfinden. Tatsächlich gelang dies. Das aufgrund des Bauplans synthetisierte Molekül zeigte im Reagenzglas tatsächlich die erwartete Aktivität. Evo kann aber noch viel mehr, so zum Beispiel die Auswirkung einzelner Mutationen auf den gesamten Organismus vorherzusagen oder ganze Erbgutabschnitte mit vielen Genen und Steuerelementen entwerfen.   (mehr…)

Medizin: Gentherapie stärkt versagende Herzen im Tierversuch

Etwa einer von vier Menschen wird im Lauf seines Lebens von einer Herzinsuffizienz betroffen. Durch eine mangelhafte Pumpleistung des Herzmuskels wird die Blut- und Sauerstoffversorgung des Körpers zunehmend eingeschränkt, die Leistungsfähigkeit nimmt drastisch ab. Die chronische Erkrankung beeinträchtigt die Lebensqualität stark. Bei älteren Patienten ist sie oft Grund für eine Spitaleinweisung, und ist im schlimmsten Fall lebensbedrohend Die Behandlung ist aufwändig, eine Heilung kaum möglich. Aufgrund der grossen medizinischen Bedeutung wird intensiv an Therapieansätzen geforscht. Forschende von der University of Utah (USA) berichten jetzt von einem möglichen Durchbruch. In Tierversuchen mit Minischweinen konnten sie durch eine Gentherapie nicht nur ein Fortschreiten der Krankheit bremsen, sondern sogar die Funktion des geschwächten Herzens weitgehend wiederherstellen. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass bei menschlichen Patienten eine Herzinsuffizienz oft mit einem Rückgang des strukturell wichtigen cBIN1-Eiweises im Herzen einherging – umso ausgeprägter, je stärker die Erkrankung war. Könnte sich eine Zufuhr von cBIN1 positiv auf die Erkrankung auswirken? Mit Hilfe harmloser AAV9-Viren schleusten sie das Gen für cBIN1 in die Herzmuskelzellen erkrankter Minischweine ein. Der Effekt war durchschlagend: nicht nur verbesserten sich die Überlebenschancen der behandelten Tiere dramatisch, sondern auch die Herzstruktur und -Funktion näherten sich fast wieder dem gesunden Zustand an. Ähnlich positive Resultate waren bisher bei experimentellen Therapien kaum je beobachtet worden. Nach gründlichen Sicherheitstests sind als nächster Schritt klinische Versuche mit Menschen vorgesehen, um zu prüfen ob auch hier grosse Verbesserungen oder gar eine Heilung der Herzinsuffizienz möglich ist.   (mehr…)

Landwirtschaft: Hitzestress-tolerante Kartoffeln steigern Erträge

Etwa zwei Drittel der Menschheit verzehrt regelmässig Kartoffeln. Nach Reis und Weizen sind sie das global wichtigste Nahrungsmittel. Allerdings ist ihr Anbau anspruchsvoll: Kartoffeln bevorzugen ein kühles und trockenes Klima. Hohe Temperaturen beeinträchtigen ihre Entwicklung, daher macht ihnen der Klimawandel zu schaffen. Eine Erhöhung der Durchschnittstemperaturen um 3 Grad Celsius, wie sie ohne tiefgreifende Massnahmen gegen Ende des Jahrhunderts erwartet werden, halbiert den Knollenertrag. Die Entwicklung hitzestress-toleranter Kartoffelsorten wird daher mit verschiedenen Ansätzen vorangetrieben. Ein US-Forschungsteam zeigt nun, wie durch eine Optimierung der Photosynthese die Knollen-Erträge unter normalen Bedingungen im Freiland um neun Prozent, und bei Hitzestress sogar um 30 Prozent gesteigert werden können. Sie erreichten dieses, indem sie in den Pflanzen eine Alternative zur sogenannten Lichtatmung aktivierten, einem energieschluckenden und wenig produktiven Stoffwechselweg zum Recycling schädlicher Nebenprodukte der Photosynthese. Hierzu fügten sie zwei Gene aus Kürbis und Grünalge in das Kartoffelerbgut ein. Der Nährstoffgehalt der Knollen wurde durch die gentechnische Veränderung nicht nachteilig beeinflusst. Die Forschenden sehen in ihrem Ansatz ein grosses Potenzial, um Kartoffeln und andere Knollengemüse unempfindlicher gegen Hitzestress zu machen.   (mehr…)

Gentechnologiebericht: Genomeditierung bei Pflanzen

Gentechnologien spielen in verschiedensten Anwendungsgebieten eine immer wichtigere Rolle, von der Grundlagenforschung über die industrielle Biotechnologie bis hin zu Anwendungen in Landwirtschaft, Ernährung und Medizin. Ihr Nutzen in vielen Bereichen ist kaum bestritten, sie lösen aber immer wieder auch Fragen und Diskussionen aus. Die 2001 von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufene Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht begleitet die Entwicklungen, und stellt die Resultate der Öffentlichkeit zur Verfügung. Ihr vor wenigen Tagen erschienener Bericht «Genomeditierung bei Pflanzen» gibt einen breiten Überblick zu den fachlichen Grundlagen und dem Potenzial für eine nachhaltigere Landwirtschaft. Die aktuell in der EU laufende Regulierungsdebatte wird ebenso aufgegriffen wie rechtliche Aspekte des geistigen Eigentums bei Pflanzen aus neuen Züchtungsverfahren. Aus Sicht der Pflanzenzüchtung kann das Potenzial der Genomeditierung aufgrund der restriktiven Rahmenbedingungen noch nicht genutzt werden, europäische Züchter sind von den vorhandenen Vorteilen bislang ausgeschlossen. Urs Niggli, ehemaliger Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FiBL, fordert angesichts der steigenden Herausforderungen für die Landwirtschaft und des grossen Potenzials der neuen Züchtungsverfahren einen Zukunftsdialog zur Rolle der Genomeditierung in der Bio-Landwirtschaft. Der Mitherausgeber Stephan Clemens betont schliesslich in seinem Ausblick, dass bei der gesellschaftlichen Debatte in Europa die globale Dimension des Themas vermehrt beachtet werden sollte. Er weist auf die Rolle von Innovationen bei der Lösung von Zielkonflikten zwischen Ertrag und Nachhaltigkeit hin und unterstreicht die Bedeutung einer Kultur der Ermöglichung hierfür.   (mehr…)

Vollständige PDF Druckversion Point «Aktuelle Biotechnologie» Dezember 2024 (Nr. 270) mit Quellenangaben

Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)


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