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Point «Aktuelle Biotechnologie» Mai 2025 (Nr. 275)
- Indien führt ertragreichen genomeditierten Reis ein
- Personalisierte Gentherapie für Baby mit lebensgefährlicher Stoffwechselkrankheit
- Genmodifizierte Bakterien bauen fünf Chemikalien ab
- CAST ermöglicht gezielten Einbau ganzer Gene
30.05.2025
Ernährungssicherheit: Indien führt ertragreichen genomeditierten Reis ein
Indien, das einwohnerreichste Land der Welt, steht bei der Ernährung der weiterwachsenden Bevölkerung vor riesigen Herausforderungen. Die Regierung investiert massiv in Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und die Entwicklung verbesserter, ertragreicher Sorten. Am 4. Mai 2025 verkündete der indische Landwirtschaftsminister Shivraj Singh Chouhan einen Meilenstein: er stellte zwei von indischen Forschenden entwickelte, genomeditierte Reissorten für den Anbau in Indien vor. Damit könnte Indien das erste Land der Welt werden, in dem genomeditierter Reis im grossen Massstab produziert wird.
Über mehrere Jahre hatten Forschende an verschiedenen indischen Instituten innovative Züchtungsverfahren, wie die Genschere CRISPR/Cas9, eingesetzt, um möglichst rasch verbesserte Sorten bereitstellen zu können. Die Sorte «Pusa DST Rice 1» weist höhere Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit und versalzene Böden bei gleichzeitig gesteigerten Erträgen auf. Die neu entwickelte Sorte «DRR Dhan 100 (Kamala)» soll bis zu 19 Prozent höhere Erträge liefern und auch mit wenig Dünger und Trockenheit gut auskommen. Bereits in etwa 4 – 5 Jahren könnte ein grossflächiger Anbau der genomeditierten Reissorten erfolgen. Indien hofft damit Erträge zu steigern, bei gleichzeitiger Reduktion des Wasserverbrauchs und der Klimabelastung.
Seit 2002 wird gentechnisch veränderte, insektenresistente Bt-Baumwolle in Indien angebaut, aber gentechnisch veränderte Nahrungspflanzen sind umstritten. Im Jahr 2022 wurden genomeditierte Pflanzen ohne artfremde Erbinformation von den restriktiven Bestimmungen für gentechnisch veränderte Sorten ausgenommen. Das ermöglichte in Indien zahlreiche Züchtungsprogramme mit verschiedenen genomeditierten Nutzpflanzen – die beiden jetzt vorgestellten Reissorten stellen die Vorhut dar. (mehr…)
Medizin: Personalisierte Gentherapie für Baby mit lebensgefährlicher Stoffwechselkrankheit
Zahlreiche schwere Erkrankungen gehen auf genetische Mutationen zurück. Hier bieten neu entwickelte Verfahren der Genomeditierung grosse Chancen für eine Therapie. Ein grosses US-Forschungsteam zeigt jetzt beispielhaft, wie innerhalb nur weniger Monate eine personalisierte Behandlung für ein schwer erkranktes Neugeborenes entwickelt werden kann.
Bei dem kleinen KJ Muldoon wurde zwei Tage nach der Geburt ein Mangel des CPS1-Enzyms festgestellt, das für die Entgiftung von Ammoniak im Stoffwechsel erforderlich ist. Das verursacht ernste Nervenschäden, etwa die Hälfte der betroffenen Kinder überlebt die ersten Monate nicht. Nachdem klar war, dass eine Mutation Ursache der äusserst seltenen Erkrankung war, entwickelten die Forschenden in nur zwei Monaten einen auf einem modifizierten CRISPR/Cas9 System basierenden Ansatz zur Baseneditierung, der diese Mutation an Ort und Stelle im Erbgut korrigieren kann – analog zur «Suchen – Ersetzen» Funktion eines Textverarbeitungsprogramms. Es folgten Wirkungsverbesserungen und Sicherheitsprüfungen in Versuchstieren.
Ab dem Alter von sieben Monaten erhielt KJ drei Infusionen mit kleinen Fett-Bläschen, die als Träger den in RNA verschlüsselten Mechanismus zur Genkorrektur in seine Leberzellen einschleusten. Der Zustand des Babys verbesserte sich deutlich. Bis jetzt, im Alter von zehn Monaten, konnten die Medikamente zur Behandlung deutlich reduziert und seine Ernährung normalisiert werden. Zwar ist es noch zu früh, um zu wissen, wie lange der Erfolg anhält und ob sogar eine Heilung ermöglicht wird – der Ansatz zeigt aber das grosse Potenzial neuer genetischer Technologien zur individuellen Behandlung von Erbkrankheiten auf. (mehr…)
Bioremediation: Genmodifizierte Bakterien bauen fünf Chemikalien ab
Viele organische Schadstoffe und Lösungsmittel werden in der Natur nur sehr langsam abgebaut. Manche Mikroorganismen können einzelne solche Stoffe in Kläranlagen oder in der Umwelt zersetzen, sind aber mit Gemischen überfordert. Um einen wirksamen biologischen Abbau von Chemikalien in Industrieabwässern zu ermöglichen, entwickelte ein Forschungsteam aus China mit Hilfe der synthetischen Biologie einen Mikroorganismus, der gleich fünf verschiedene Substanzen in Industrieabwässern zerlegen kann.
Als Grundlage hierfür verwendeten die Forschenden das extrem schnell wachsende Bakterium Vibrio natriegens. Dieses ist von Natur aus sehr robust gegenüber aggressiven Chemikalien und hohen Salzkonzentrationen. Um den Bakterien die Fähigkeit zum Abbau organischer Chemikalien zu verleihen, wurden ihnen fünf Gruppen von Stoffwechselgenen eingebaut, die jeweils die Zersetzung einer Chemikalie ermöglichen. Die insgesamt 37 eingefügten Gene wurden aufgrund der genetischen Information aus anderen Mikroorganismen chemisch synthetisiert.
Der genetisch veränderte Stamm ist in der Lage, etwa 90 Prozent eines Gemischs von fünf organischen Schadstoffen (Biphenyl, Phenol, Naphthalin, Dibenzofuran und Toluol) mit unterschiedlichen chemischen Strukturen in Chemie-Abwässern abzubauen. Auch in verunreinigten Erdböden reduzieren die Bakterien den Schadstoffgehalt deutlich – mit geeigneten Kontrollsystemen, um eine Ausbreitung zu verhindern, könnten sie auch für die Bioremediation, den biologischen Schadstoffabbau in der Umwelt, eingesetzt werden. (mehr…)
Gentherapie: CAST ermöglicht gezielten Einbau ganzer Gene
Ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung genetischer Defekte ist es, den betroffenen Zellen eine intakte Kopie des gesamten Gens einzufügen. Dadurch kann die Genfunktion ersetzt werden, unabhängig von Art und Position der ursprünglichen Mutation. Bei einem Einbau an zufälligen Positionen im Erbgut, wie sie bei einer Genübertragung mit Hilfe von Viren erfolgt, ist die Genablesung schwer vorhersehbar. Ein gezielter Einbau mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 ist möglich, kann aber durch den dabei eingefügten Schnitt in das Erbgut auch unerwünschte Veränderungen verursachen.
US-Forschende zeigen jetzt, wie das neu als Werkzeug eingesetzte Eiweiss CAST («CRISPR associated transposase») zum gezielten Einbau grosser Gene in menschliche Zellen verwendet werden kann. CASTs kommen in der Natur vor und vermitteln die Mobilität von Transposonen. Diese genetischen Elemente können an neue Positionen springen und sich dort integrieren, ohne das Erbgut dabei vollständig zu durchtrennen. Durch gerichtete Evolution gelang es den Forschenden, die Effizienz von CAST 400-fach zu steigern.
Das so optimierte EvoCAST-Eiweiss konnte so programmiert werden, dass es grosse DNA-Abschnitte von über 10'000 Basenpaaren mit kompletten Genen und ihren Steuerelementen an 14 verschiedenen untersuchten Positionen im Erbgut menschlicher Zellen integrierte. Dabei konnten unterschiedliche Zelltypen behandelt werden. EvoCAST ist damit ein vielversprechendes neues Werkzeug zum gezielten Einbau ganzer Gene in Rahmen einer Gen-Ersatz-Therapie. (mehr…)
Vollständige PDF Druckversion Point «Aktuelle Biotechnologie» Mai 2025 (Nr. 275) mit Quellenangaben
Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)

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