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Point «Aktuelle Biotechnologie» August 2025 (Nr. 278)
- Neue Antibiotika-Kandidaten aus Urbakterien
- Die Schweiz als wichtiger Standort für «Biomanufacturing»
- Verbesserte Sorghum-Architektur für höhere Erträge
- Turbozüchtung mit Genomeditierung, KI und Robotern
31.08.2025
Medizin: Neue Antibiotika-Kandidaten aus Urbakterien
Resistenzen von Krankheitserregern gegen etablierte Antibiotika sind ein wachsendes Problem, da sie schneller zunehmen, als neue Wirkstoffe gefunden werden. Forschende hatten bisher vor allem Bakterien und Pilze als Produzenten neuer Antibiotika im Auge. Zwei Veröffentlichungen beschreiben jetzt Urbakterien als Quelle für vielversprechende Antibiotika-Kandidaten.
Urbakterien, wissenschaftlich als Archaeen bezeichnet, sind Mikroorganismen die vor allem in extremen Umgebungen, wie heissen Quellen, vorkommen. Sie unterscheiden sich aber so stark von Bakterien, dass sie einer eigenen Domäne zugerechnet werden. Es wurde vermutet, dass sie – wie andere Mikroorganismen auch – Antibiotika produzieren könnten, um sich gegen konkurrierende Bakterien zu behaupten. US-Forschende identifizierten jetzt durch Analyse von Archaeen-Gensequenzen mit Künstlicher Intelligenz zahlreiche potenzielle Antibiotika. Mehrere von ihnen waren in Reagenzglasversuchen wirksam gegen krankheitserregende Bakterien. Ein Wirkstoff konnte auch in Tierversuchen Infektionen bekämpfen.
Ein Team aus Grossbritannien suchte ebenfalls mit Hilfe der Bioinformatik in Gensequenzen von tausenden von Archaeen nach Wirkstoffen, welche die Zellhülle von Bakterien angreifen könnten und fanden Kandidaten hierfür. Auch hier konnte im Labor eine Wirkung gegen Krankheitserreger gezeigt werden. Von diesen ersten Beobachtungen bis zu einem Antibiotikum bei Menschen ist es noch ein weiter Weg – aber die Arbeiten zeigen, dass die noch wenig untersuchten Archaeen vielversprechende Quellen neuartiger Antibiotika werden könnten. (mehr…)
Wirtschaft: Die Schweiz als wichtiger Standort für «Biomanufacturing»
Mikroorganismen, tierische und pflanzliche Zellen können als Biofabriken eingesetzt werden, um Medikamente, Chemikalien und hochwertige Substanzen zu produzieren. Oft werden die Zellen gentechnisch verändert, um die Effizienz des «Biomanufacturing» zu steigern. Auch können so Produkte hergestellt werden, welche die Produktionsorganismen nicht von Natur aus erzeugen können, wie zum Beispiel menschliche Antikörper für die Krebstherapie. Eine Spezialausgabe der Fachzeitschrift CHIMIA beleuchtet das «Biomanufacturing» mit einem Fokus auf die Schweiz.
Zahlreiche, zum Teil mit Milliardeninvestitionen erstellte Anlagen an Standorten in der ganzen Schweiz und der unmittelbaren Nachbarschaft erzeugen Medikamente, Vitamine, Aromen/Riechstoffe und weitere hochwertige Produkte. Damit leistet die Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Versorgung des Weltmarktes. 2024 wurden immunologische Produkte des Biomanufacturing, wie Impfstoffe und therapeutische Antikörper, für über 50 Milliarden Schweizer Franken exportiert.
Bedeutende internationale Unternehmen betreiben aufgrund der hervorragenden Rahmenbedingungen Biomanufacturing-Standorte in der Schweiz. Umgekehrt verfügen grosse Schweizer Akteure über ein globales Netzwerk von Produktionsstätten, um damit nahe an den Märkten zu sein und das Risiko lokaler Ausfälle zu minimieren. Als Treiber von Innovationen gedeiht in der Schweiz auch die Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung für neuartige Biomanufacturing-Verfahren. (mehr…)
Ressourceneffizienz: Verbesserte Sorghum-Architektur für höhere Erträge
Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte, um Nutzpflanzen mit verbesserten Wachstums-Eigenschaften auszustatten. Dabei spielt die Architektur der Pflanze und zum Beispiel die Form der Blätter eine wichtige Rolle. Viele dieser Eigenschaften von Pflanzen sind nicht für das Wachstum als Ackerpflanze optimiert. US-Forschende zeigen jetzt, wie durch Anpassungen der Architektur von Sorghum dessen Produktivität gesteigert werden kann.
Normalerweise stehen bei Sorghum-Getreide die Blätter seitlich vom Stängel ab. Bei dichter Pflanzung auf dem Feld bildet sich so eine dichte Blätterschicht, die kaum noch Licht auf die unteren Pflanzenteile fallen lässt. Könnte durch Anpassungen der Pflanzenarchitektur der Lichteinfall verbessert werden? Bei Mais sind Mutationen bekannt, die zu einer aufrechteren Blattstellung führen. Wurden bei Sorghum vergleichbare Gene mit der Genschere CRISPR/Cas9 ganz ausgeschaltet, lagen die Blätter dicht am Stängel an – ungünstig für das Einfangen des Sonnenlichts.
Die Forschenden schalteten die Sorghum-Gene daher nicht völlig aus, sondern reduzierten ihre Ausprägung. Sie fügten dazu in die Pflanzen einen kurzen Genabschnitt ein, der eine haarnadelähnliche Struktur (RNAi) bildet und damit die Genablesung bremst. Tatsächlich standen bei diesen Pflanzen die Blätter in einem schrägen Winkel nach oben ab, wodurch das Licht bei enger Pflanzung die unteren Blätter besser erreicht. So konnte die Biomasse der Pflanzen in Feldversuchen um 24 Prozent und der Ertrag um über 5 Prozent gesteigert werden, ohne dabei mehr Wasser zu verbrauchen. (mehr…)
Neue Technologien: Turbozüchtung mit Genomeditierung, KI und Robotern
Die heutigen hohen Erträge von Nutzpflanzen wären ohne technologische Fortschritte in der Züchtung und bei den Anbauverfahren nicht möglich. Sie reichen aber immer noch nicht aus, um die Weltbevölkerung ausreichend zu ernähren. Ein grosses chinesisches Forschungsteam kombiniert jetzt erstmals die Zukunftstechnologien Genomeditierung, Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik und ermöglichen so einen Innovationssprung für die effiziente Saatgutproduktion und die Züchtung besserer Sorten.
Tomaten bestäuben sich normalerweise selbst. Für die Herstellung von ertragreichem Hybridsaatgut und die Züchtung neuer Sorten sind aber Kreuzungen zwischen verschiedenen Pflanzen erforderlich – ein sehr aufwändiger Vorgang, der in der Regel von Hand durchgeführt wird. Für diese Aufgabe entwickelten die Pflanzenforscher einen mit künstlicher Intelligenz gesteuerten Bestäubungsroboter, der Kreuzungen zwischen verschiedenen Tomatenpflanzen durchführen kann. Voraussetzung dafür war, dass die Form der Tomatenblüten zuerst durch Genomeditierung so verändert wurden, dass der Blütenstempel frei zugänglich wird. So kann der Roboter unermüdlich, Tag und Nacht, Pflanzen kreuzen.
Die Forschenden entwickelten ihr System auch für die Züchtung neuer Sorten mit verbesserten Eigenschaften wie Geschmack, Salztoleranz und Krankheitsresistenz auf der Basis von Wild-Tomatensorten weiter. Durch optimale Wachstumsbedingungen konnten sie so in weniger als zwei Jahren eine grosse Anzahl neuer Sorten erzeugen. Der hier vorgestellte roboter- und KI-unterstützte Züchtungsansatz lässt sich auf für andere Pflanzenarten anpassen. (mehr…)
Vollständige PDF Version Point «Aktuelle Biotechnologie» August 2025 (Nr. 278) mit Quellenangaben
Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)

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