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Point «Aktuelle Biotechnologie» September 2025 (Nr. 279)
- Neue Strategie zur Genomeditierung von Himbeeren
- CRISPR-Tarnkappe ermöglicht innovative Diabetestherapie
- Vollwert-Bienenfutter mit genetisch veränderter Hefe
- Saatgut ohne Befruchtung könnte Landwirtschaft revolutionieren
30.09.2025
Pflanzenzüchtung: Neue Strategie zur Genomeditierung von Himbeeren
Himbeeren sind wohlschmeckend, gesund und beliebt bei Konsumentinnen und Konsumenten. Anbau und Produktion sind aber anspruchsvoll, da die Pflanzen anfällig gegen Krankheiten sind und die zarten Früchte bei Ernte und Transport nicht verletzt werden dürfen. Züchterische Verbesserungen sind bei Himbeeren schwierig und langwierig, da Kreuzungen zu unberechenbaren Resultaten führen und gute Eigenschaften dabei oft verloren gehen. Himbeeren werden daher in der Regel nur durch Stecklinge vermehrt.
Britische Forscher haben jetzt einen wichtigen Schritt für eine Verbesserung bewährter Sorten durch Genomeditierung gemacht. Es gelang ihnen, eine Methode zu entwickeln, mit dem die Zellwand von Himbeerzellen entfernt werden kann. In die so erzeugten Protoplasten schleusten sie eine im Reagenzglas erzeugte Genschere ein. So konnten sie verschiedene Gene in den Zellen ausschalten, die für Krankheitsanfälligkeit und Fruchterweichung verantwortlich sind. Aktuell arbeiten sie an einem Protokoll, um aus den genomeditierten Protoplasten wieder ganze Pflanzen zu regenerieren – für viele Nutzpflanzen ist dieser Ansatz bereits etabliert.
Wenn das Verfahren zur Regeneration der Pflanzen funktioniert, sollte es möglich sein, verbesserte Himbeersorten in weniger als einem Jahr zu erzeugen statt dem mit herkömmlicher Züchtung erforderlichen Jahrzehnt. Ausserdem könnten dabei die bewährten Sorteneigenschaften erhalten werden. Da die mit diesem Ansatz erzeugten genetischen Veränderungen auch in der Natur vorkommen können, werden die Pflanzen in vielen Ländern wie herkömmlich gezüchtete Sorten reguliert. In der EU und der Schweiz laufen aktuell Diskussionen über die Regulierung genomeditierter Pflanzen. (mehr…)
Medizin: CRISPR-Tarnkappe ermöglicht innovative Diabetestherapie
Forschende eines US-Biotechunternehmens haben vielversprechende Resultate auf dem Weg zu einer neuartigen Therapie für Diabetes Typ 1 präsentiert. Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Betazellen zerstört. Der Insulinmangel kann durch lebenslange Insulininjektionen kompensiert werden, aber das genaue Einstellen der erforderlichen Insulin-Dosis ist anspruchsvoll. Ziel der Forschenden ist es, Patientinnen und Patienten insulinproduzierende Zellen einzupflanzen und sie so unabhängig von Injektionen zu machen.
Das Problem dabei: Zellen von fremden Spendern werden vom eigenen Immunsystem angegriffen und eliminiert. Um das zu verhindern, verwendeten die Forschenden die CRISPR-Genschere und schalteten damit in Spender-Betazellen die Gene für die beiden Oberflächeneiweisse HLA-I und HLA-II aus, durch die das Immunsystem fremde Zellen erkennt. Zusätzlich aktivierten sie in den Zellen die Produktion des CD47-Eiweisses, das ebenfalls vor Angriffen durch Immunzellen schützt.
Die so veränderten Betazellen wurden in den Armmuskel eines 42-jährigen zuckerkranken Schweden injiziert. Dort überlebten sie längere Zeit und produzierten wie erhofft schon Insulin, ohne Anzeichen von Attacken durch das Immunsystem. Die Dosis der injizierten Zellen lag aus Sicherheitsgründen in diesem ersten Versuch weit unter der, die für einen vollständigen Insulinersatz ausreichen würde. Die Versuche werden jetzt mit höheren Dosen und mehr Patientinnen und Patienten erweitert, um aussagekräftige Daten zu gewinnen. Die innovative Tarnkappen-Therapie könnte eines Tages eine Alternative zu lebenslanger Insulinbehandlung werden. (mehr…)
Präzisionsfermentation: Vollwert-Bienenfutter mit genetisch veränderter Hefe
Honigbienen spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem und für die Bestäubung vieler Nutzpflanzen. Sie leben nicht nur von Nektar, sondern sind auch auf Pollen als Nahrung angewiesen. Dieser enthält neben Eiweiss auch für die Bienen lebenswichtige Mikronährstoffe, die fettähnlichen Sterole. Allerdings nimmt das Pollenangebot für Honigbienen durch zunehmende Überbauung von Naturflächen, die Landwirtschaft und den Klimawandel ab. Zusammen mit Krankheiten belastet das das Wohlergehen der Honigbienen. Künstlichem Bienenfutter fehlen die wichtigen Sterole, es kann daher keine vollwertige Ernährung sicherstellen.
Da Sterole in der Natur nur in geringen Mengen vorkommen und eine chemische Produktion sehr teuer ist, haben Forschende aus Grossbritannien und Dänemark einen biotechnologischen Ansatz gewählt. Sie identifizierten zuerst sechs Schlüssel-Sterole, die für das Wohlergehen der Bienen wichtig sind. Dann programmierten sie den Stoffwechsel der Ölhefe Yarrowia lipolytica so um, dass diese durch Präzisionsfermentation im Bioreaktor die gewünschten Sterole in ausreichenden Mengen produziert. Dazu mussten verschiedene Gene aus Pflanzen, Tieren, Pilzen und Bakterien in das Hefeerbgut eingefügt werden.
Wenn das Futter der Bienen mit Biomasse aus den genetisch veränderten Hefen angereichert wurde, ging es den Tieren deutlich besser. Sie produzierten während eines dreimonatigen Versuchs über zehn Mal mehr Nachkommen als mit dem Standard-Futter ohne Sterole. Damit bietet die Fütterung mit genau an die Bedürfnisse angepassten Nährstoffkombinationen grosse Chancen, das Wohlergehen der Honigbienen und die Entwicklung ihrer Bestände zu fördern – aktuell laufen Langzeitversuche hierzu. (mehr…)
Pflanzenzucht: Saatgut ohne Befruchtung könnte Landwirtschaft revolutionieren
Im Osten Australiens bereiten Forschende der University of Queensland einen Feldversuch vor, der entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung der weltweiten Landwirtschaft geben könnte. Dabei sollen im Rahmen einer internationalen humanitären Zusammenarbeit neue Sorghumhirse-Sorten geprüft werden, die ohne Befruchtung Samen produzieren. Das würde ermöglichen, ertragreiches Saatgut wesentlich einfacher und preiswerter zu produzieren. Davon könnten Kleinbauern in Afrika und Asien profitieren.
Bei vielen Pflanzenarten ist Hybridsaatgut, dass durch die Kreuzung zweier unterschiedlicher Elternlinien entsteht, wesentlich ertragreicher. Das Verfahren ist zum Beispiel bei Mais, Reis und Tomaten seit vielen Jahren etabliert. Allerdings ist die Hybridproduktion aufwändig und teuer, und das Saatgut muss jedes Jahr neu erzeugt werden. Seit vielen Jahren arbeiten Forschende daran, in verschiedenen Pflanzenarten die Produktion von Nachkommen ohne Befruchtung zu ermöglichen. Durch diesen als Apomixis bezeichneten Vorgang könnten identische Kopien der Elternlinien erzeugt werden, und der Hybridnutzen stabil in den Nachkommen fixiert werden.
Apomixis kommt in verschiedenen Pflanzenarten natürlicherweise vor, nicht jedoch in Getreiden. In mühsamer Kleinarbeit haben Forschende in vielen Ländern die biologischen Vorgänge bei der Apomixis untersucht, und die Prozesse in Getreidearten übertragen. Am weitesten fortgeschritten sind die Arbeiten in Reis und der Sorghumhirse, die in vielen Ländern Afrikas und Asiens ein wichtiges Grundnahrungsmittel ist, aber auch in der australischen Landwirtschaft eine grosse Rolle spielt. In Rahmen des «Hy-Gain»-Projekts sollen jetzt erstmals apomiktische Sorghumhirsesorten im Freiland untersucht werden, die für Kleinbauern den Zugang zu bisher für sie unerschwinglichem Hochleistungs-Saatgut ermöglichen könnten. (mehr…)
Vollständige PDF Version Point «Aktuelle Biotechnologie» September 2025 (Nr. 279) mit Quellenangaben
Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch)

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