Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences
«Vorreiter in Innovation» - Interview mit Peter Gehler

Dossiers - Wettbewerbsfähigkeit

«Vorreiter in Innovation» - Interview mit Peter Gehler

16.01.2023

Die Schweizer Pharmaunternehmen sind seit vielen Jahren Vorreiter in Bezug auf Innovation. Sie sind in der Lage, Spezia­listen aus aller Welt in ihren Unternehmen zusammenzuführen und ihnen ausge­zeichnete Arbeitsbedingungen zu bieten. Peter Gehler, der über eine langjährige Erfahrung in der chemisch-pharmazeu­tischen Industrie verfügt, beobachtet, dass die internationale Ausrichtung der Schweizer Wirtschaft, der ungehinderte Marktzugang in Europa und die gute Aus­bildung in der Schweiz auf allen Bildungs­stufen weitere wichtige Pfeiler bilden. Diese gelte es zu erhalten, so sein Plädo­yer. Damit dies gelinge, seien Anstrengun­gen auf verschiedenen Ebenen notwendig.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Beschäftigungsentwicklung?

Die Pharmaindustrie wird in der Schweiz auch in Zukunft attraktive Arbeitsplätze an­bieten. Allerdings hängt die Entwicklung auch vom Zugang zum gemeinsamen Markt mit der EU ab. Sollten diesbezüglich zusätz­liche Schwierigkeiten und Auflagen auf die Arbeitgeber zukommen, besteht die akute Gefahr, dass Arbeitsplätze ins Ausland ver­schoben werden. Zudem stellt der Fachkräf­temangel ein grosses Problem dar, der vor allem auch die produzierenden Unterneh­men zunehmend behindert. Die Schweizer Pharmaindustrie beschäftigt bereits jetzt sehr viele Grenzgänger oder ausländische Mitarbeitende, die für ihre Arbeit in die Schweiz ziehen. Trotz diesen Bemühungen ist es sehr anspruchsvoll, gute und qualifi­zierte Mitarbeitende zu finden. Der Markt ist ausgetrocknet.

Welche Massnahmen existieren zur Förderung neuer Fachkräfte?

Es ist wichtig, dass unsere Unternehmen selber Ausbildungsplätze anbieten. Damit legen wir eine gute Basis. Denn die heu­tigen Lernenden sind die späteren Fachspezialisten. Zudem muss eine Zuwande­rung von Fachkräften aus al­len Ländern – nicht nur aus der Europäischen Union – weiterhin möglich sein. Wir erwarten von den Behörden eine entspre­chende Flexibilität, auch im Interesse der Gemeinden, der Kantone und des Bundes.

Um welche Themengebiete kümmert sich der Vorstandsausschuss Bildung Forschung Innovation VA-BFI konkret im Bereich der Bildung?

Der Vorstandsausschuss BFI deckt ein sehr breites Feld ab. Das beginnt beim universi­tären Umfeld bis hin zur beruflichen Grund­bildung, wo sciencieindustries als OdA (Or­ganisation der Arbeitswelt) verschiedene Berufsbilder verantwortet, wie beispiels­weise Chemie- und Pharmatechnologe/-lo­gin EFZ oder Laborant/in EFZ. Natürlich steht ganz aktuell der Forschungs­platz Schweiz im Vordergrund, weil dieser durch die Probleme im Bereich der Assoziie­rung im europäischen Forschungs- und Innovationszusammenarbeitsprogramm Horizon Europe stark gefährdet ist.

Diesbezüglich arbeitet der VABFI eng mit den Rektorinnen und Rektoren der Schweizer Universitäten zusammen. Im Weiteren arbeiten wir da­ran, den Übergang von der Universität zur Arbeitswelt zu vereinfachen und die Stu­dierenden schon früher mit der Arbeitswelt vertraut zu machen. Gleichzeitig überar­beiten wir die Berufsbilder in den Berei­chen Chemie und Pharma, um sie auch den künftigen Anforderungen der Arbeits­welt anzupassen.

Wie hat sich die Pharmabranche in den letzten Jahren verändert?

Es gibt verschiedene wichtige Trends. Einer ist die Digitalisierung, wobei das Gesund­heitswesen in diesem Bereich stark hinter­herhinkt. Das ist bedauerlich. Ein zweiter Trend ist die Personalisierung der Thera­pien, Blockbuster werden seltener werden. Massgeschneiderte Therapien und Medika­mente sind dank der technischen Entwick­lung heute zunehmend möglich.

Wie sehen Entwicklungsmöglichkeiten für ausgebildete Berufsleute aus?

Die Aussichten in der Pharmaindustrie – in den forschenden Unternehmen und in den Zulieferunternehmen – sind hervorragend. Pharmaunternehmen sind beliebte Lehrbetriebe und auch für ausgebildete Fach­leute in vielen unterschied­lichen Bereichen äusserst attraktiv. Die internationale Ausrichtung der Unternehmen mit zahlrei­chen Tochterunternehmen in den verschie­densten Ländern macht die Pharmaindust­rie zusätzlich interessant.

Das schweizerische Bildungssystem bietet nach einer beruflichen Grundbildung mit der höheren Berufsbildung und den Hoch­schulen spannende Weiterbildungsmöglich­keiten an, beispielsweise die Berufsprüfung zum/zur Chemie- und Pharmatechniker/in oder ein Fachhochschul-Studium beispiels­weise im Bereich Life Sciences.

Aus Sicht Pharmaindustrie haben wir vor allem auf Tertiärstufe (Universität, Fach­hochschule, höhere Berufsbildung) grosse Lücken. Der Bedarf der Unternehmen ist grösser als die Zahl der Abgänger. Darum versuchen wir auch als Verband, mit der Initiative www.simplyscience.ch bereits Kinder für die Naturwissenschaften und Jugendliche für unsere Berufe und die ent­sprechenden höheren Ausbildungen zu be­geistern

Wie haben sich die Anforderungen an die Mitarbeitenden in den letzten Jahren verändert?

Es liegt auf der Hand, dass die Digitalisie­rung die Berufsbilder und damit die Anfor­derungen an die Mitarbeitenden laufend verändert und erhöht. Zudem ist Compliance – das heisst das strikte Einhalten der Regeln – nach wir vor absolute Vorausset­zung für eine Tätigkeit in Unternehmen der Pharmabranche.

Die Pharmaindustrie ist stark international aufgestellt, dass interdisziplinäre Zusam­menarbeit, Digitalisierung und Fremd­sprachenkenntnisse eine Selbstverständ­lichkeit darstellen. Mitarbeitende sollten Fremdsprachen beherrschen, insbesondere Englisch, und in der Lage sein, über die kulturellen Grenzen hinweg zusammenzuar­beiten, als grosse Familie mit einem hohen Toleranzlevel. Aber das ist ja gerade auch eine grosse Chance und macht die Arbeits­plätze in der Pharmaindustrie so attraktiv.

Welche Flexibilität bezüglich Arbeitsort benötigen Angestellte in der Pharmaindustrie?

Persönlich denke ich, dass ein überschau­barer Arbeitsweg auch ein Teil von Lebens­qualität ist. In diesem Sinne gilt bei uns, was bei allen anderen Branchen auch gilt. Man muss allenfalls bereit sein, für den Traumjob auch den Wohnort zu verlegen. Die Pharmaindustrie ist meist in oder in der Nähe von attraktiven Zentren gelegen. Das sollte die Flexibilität zusätzlich anregen.

Peter Gehler ist Vizepräsident im Verwal­tungsrat der Siegfried AG, Vertreter der Pharmaindustrie im Vorstand von economie­suisse und Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Science scienceindustries. Dort steht er dem Vorstandsausschuss Bildung, Forschung und Innovation VABFI vor. Er fasste vor 22 Jahren in der Chemie- und Pharmaindustrie Fuss und leitete während sieben Jahren den Pharmapark Siegfried Zofingen. Peter Gehler studierte an der Fachhochschule Betriebswirtschaft und verfügt über ein Master-Degree der Universität Basel in Betriebswirtschaft und Marketing. Sein besonderes Interesse liegt in der Förderung von Start-ups und den entsprechenden Jungunternehmerinnen und Jungunterneh­mern.


Autorin: Dominique Weiersmüller
Publikation: Chancen-Heft «Chemie, Kunststoff, Papier», 2022, SDBB, Bern; https://shop.sdbb.ch/chemie-kunststoff-papier.html


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