Dossiers - Wettbewerbsfähigkeit
Gastkommentar NZZ: Direktor Stephan Mumenthaler
Die Schweiz und Grossbritannien - ein Traumpaar
18.07.2023
Die Schweiz muss die Chance nutzen, die sich mit einer Vertiefung des Freihandelsabkommens mit Grossbritannien bietet.
Die Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich eröffnet Chancen: Die bereits ausgezeichneten bilateralen Handelsbeziehungen müssen weiter gestärkt werden. Bisher ungenutzte Potenziale müssen erschlossen werden.
Starke Verflechtung
Die beiden Länder sind in einer ähnlichen Position: Sie sind hochentwickelte europäische Länder mit einer starken Pharma- und Finanzindustrie, und sie sind sowohl miteinander wie mit der EU auf komplexe und bekanntlich nicht immer friktionslose Art und Weise stark verflochten. Die wirtschaftlichen Ausrichtungen der beiden Länder sind nahezu kongruent. Die Schweiz und Grossbritannien zeichnen sich durch internationale Wettbewerbsfähigkeit, starke Innovationsfähigkeit, wirtschaftliche Offenheit sowie einen Sinn für Pragmatismus aus.
Dass beide Länder nicht bzw. nicht mehr EU-Mitglied sind, erlaubt eine eigenständige Handelspolitik, ohne dass die EU aus den Augen verloren wird. Nach dem Brexit war es für die Schweiz wichtig, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen schnell auf eine neue vertragliche Basis zu bringen. Das ist der Schweiz, auch im Rahmen der «mind the gap»-Strategie des Bundesrates, gelungen. Doch damit ist es nicht getan: Die bevorstehende Modernisierung des Freihandelsabkommens eröffnet Chancen, bisher ungenutzte Potenziale zu erschliessen.
Die Schweiz und Grossbritannien gehören zu den innovativsten Ländern der Welt. Mit der Modernisierung des bestehenden bilateralen Handelsabkommens müssen deshalb Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren für die Innovation gefördert werden. Starke und zukunftsfähige Bestimmungen zum geistigen Eigentum sind dringend notwendig. Damit werden grenzüberschreitende Investitionen in Innovationen gestärkt, das Wirtschaftswachstum gefördert und die globale Wettbewerbsfähigkeit verbessert.
Das neue Handelsabkommen muss zwingend ein modernes Kapitel über den Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (IP) enthalten. Das bietet Möglichkeiten zur engen Zusammenarbeit in Bereichen neuer Technologien wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sowie bei Innovationen im Bereich Chemie, Pharma und Life-Sciences.
Forschungskooperation als Chance
Gemessen an der Anzahl gemeinsamer Projekte im Rahmen von Horizon 2020 wies die Schweiz die zweithöchste Kooperationsrate mit Grossbritannien auf. Leider ist die Schweiz bekanntlich nicht mehr vollständig assoziiert an Horizon Europe, was der hiesigen Innovationskraft schadet. Noch wichtiger sind deshalb weitere Partner in der internationalen Forschungszusammenarbeit. Gerade das Vereinigte Königreich mit seinen ausgezeichneten Institutionen ist prädestiniert für eine Vertiefung der Zusammenarbeit.
Ende 2022 unterzeichneten die beiden Länder eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit in Forschung und Innovation. Mit der Vereinbarung wird die Partnerschaft in diesen Bereichen weiter gestärkt, und das ist auch nötig. Die Industrien Chemie, Pharma und Life-Sciences sind auf Spitzenleistungen in der Forschung, die Zusammenarbeit zwischen akademischer und industrieller Forschung und die Förderung von Startups angewiesen.
Ein Abkommen bietet beiden Ländern einen strategischen Nutzen. Verbesserte Bestimmungen z. B. im Bereich des geistigen Eigentums bieten beiden Ländern Gelegenheit, diese als Referenz in anderen Verhandlungen einzusetzen.
Verstärkungen im bilateralen Rahmen sind umso wichtiger, je grösser und tiefer die Risse im multilateralen Rahmen werden. Wenn, wie heute, die Welthandelsorganisation beinahe paralysiert ist, sind solche Freundschaften lebensnotwendig. Die Schweiz und Grossbritannien sind ein Traumpaar. Die Chance, die sich mit einer Vertiefung des Freihandelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich bietet, muss unbedingt genutzt werden.
Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor scienceindustries, Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences
Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der Chemie Pharma Life Sciences 2024
Gastkommentar NZZ zur Industriepolitik: Direktor Stephan Mumenthaler