Dossiers - Reformen im Gesundheitswesen
Zweites Kostendämpfungspaket im Gesundheitswesen
Mit dem zweiten Kostendämpfungspaket hat es das Parlament in der Hand, die Rechts- und Planungssicherheit sowie die Versorgungssicherheit mit innovativen und bewährten Arzneimitteln wieder zu verbessern. Der Nationalrat hat im Herbst 2023 die Weichen richtig gestellt. Er soll entgegen dem Ständerat bei seinen Beschlüssen bleiben.
21.11.2024
Im August 2020 wurde die Vernehmlassung zu einem zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (KP 2) eröffnet. scienceindustries reichte am 19. November 2020 ihre Stellungnahme dazu ein. Am 7. September 2022 hat der Bundesrat die Botschaft zum KP 2 (22.062) zu Handen des Parlaments verabschiedet. Vorgesehen sind Netzwerke zur Förderung der koordinierten Versorgung und Stärkung der Versorgungsqualität. Auch möchte der Bundesrat einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu innovativen Arzneimitteln sicherstellen.
Angedacht ist zudem eine differenziertere Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) u.a. von Arzneimitteln sowie die Einführung von fairen Referenztarifen, um den Wettbewerb unter den Spitälern sicherzustellen. Des Weiteren sollen Apotheken die Möglichkeit erhalten, selbstständige Leistungen im Rahmen von Präventionsprogrammen oder Beratungsleistungen zur Optimierung der Arzneimittelabgabe und Therapietreue zu erbringen. Schliesslich sollen sämtliche Leistungserbringer im stationären und im ambulanten Bereich verpflichtet werden, ihre Rechnungen künftig in elektronischer Form zu übermitteln.
Überprüfung der WZW-Kriterien
scienceindustries lehnt einen Vorrang der Kostengünstigkeit bei der heute im Arzneimittelbereich schon regelmässig durchgeführten Überprüfung der WZW-Kriterien entschieden ab. Der Bundesrat könnte damit ohne Einbezug des Parlaments sämtliche Regeln für die WZW-Überprüfung zu einfach anpassen. Diese Änderungen würden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen willkürlich weiten Ermessensspielraum zusprechen, welcher faktisch zu einem Billigstprinzip bei allenfalls gar jährlichen WZW-Überprüfungen führen könnte. Die heute schon mangelnde Planbarkeit und Rechtssicherheit würde weiter untergraben, womit die Versorgungssituation mit Arzneimitteln weiter gefährdet wäre. Allfällige diesbezügliche Gesetzesanpassungen müssten vielmehr durch eine gezielte Erweiterung und Differenzierung der bestehenden Kriterien inkl. Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Methoden zum Wirksamkeitsnachweis für Arzneimittel der Spezialitätenliste erfolgen.
Preismodelle
Der Bundesrat will unter anderem einen raschen und möglichst kostengünstigen Zugang zu innovativen Arzneimitteln sicherstellen. Dazu soll die bereits bestehende Praxis von Vereinbarungen mit Pharmaunternehmen, sogenannte Preismodelle, auf Gesetzesstufe gefestigt werden. Pharmaunternehmen erstatten bei der Umsetzung von Preismodellen einen Teil des Preises oder der entstehenden Kosten an die Versicherer zurück. In bestimmten Fällen kann der rasche und möglichst kostengünstige Zugang zu überlebenswichtigen, hochpreisigen Arzneimitteln nur gewährleistet werden, wenn vertrauliche Preismodelle umgesetzt werden. Deshalb soll auch in der Schweiz die Umsetzung solcher Modelle ermöglicht werden.
Dem vom Nationalrat ursprünglich ausgehandelten Kompromiss zur Regelung von Preismodellen steht scienceindustries im Grundsatz positiv gegenüber. Ziel muss es sein, neue Therapien nach deren Zulassung durch Swissmedic viel schneller den Patientinnen und Patienten zur Verfügung zu stellen. Eine sinnvolle Neuregelung weckt berechtigte Hoffnung, dass diesem Anliegen entsprochen werden könnte. Zudem wäre dem seitens gewisser Kreise geforderten Transparenzanliegen der Öffentlichkeit durch den vom Nationalrat vorgeschlagenen Bericht über die Umsetzung der Preismodelle, welcher regelmässig durch das BAG zu publizieren wäre, genüge getan.
Stand der parlamentarischen Beratung im Winter 2024
Das KP 2 hat im parlamentarischen Prozess wesentliche Änderungen erfahren. Der Nationalrat verabschiedete in der Herbstsession 2023 zentrale Massnahmen, darunter die Einführung vertraulicher Preismodelle (Art. 52c Krankenversicherungsgesetz – KVG) und eine gezielte Überarbeitung der WZW-Prüfung (Art. 32 Abs. 3 KVG). Beide Vorschläge wurden von der Pharmaindustrie grundsätzlich begrüsst, da sie die Versorgungssicherheit stärken und innovative Therapien schneller verfügbar machen könnten.
Die Beratungen im Ständerat und in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) führten jedoch zu Verschlechterungen, wie der Einführung von Kostenfolgemodellen (Art. 52e KVG). Diese Modelle sehen automatische Mengenrabatte für umsatzstarke Medikamente vor und wurden weder im ursprünglichen Gesetzesentwurf des Bundesrats noch in der Vernehmlassung diskutiert. scienceindustries steht dieser zusätzlichen Kostensenkungsmassnahme entsprechend ablehnend gegenüber. Die SGK-N brachte in der Differenzbereinigung einen Kompromiss ein, der produktspezifische Gegebenheiten wie die Verfügbarkeit von Wirkstoffen oder die Anzahl der Indikationen berücksichtigen würde. Dennoch könnte der Kompromiss der SGK-N akzeptiert werden, sofern die von der SGK-N beschlossenen Parameter festgeschrieben bleiben respektive verbindliche Zusagen zum Inhalt der Verordnung gemacht werden.
Die WZW-Prüfung bleibt ein zentraler Punkt der Debatte. Die SGK-N schlug vor, einzelne Kriterien unterschiedlich häufig, jedoch nicht in unterschiedlichem Umfang zu überprüfen. Dieser Kompromiss kann von scienceindustries akzeptiert werden, da er die Versorgungssicherheit weniger stark gefährdet als die ursprünglich vom Bundesrat vorgeschlagene und vom Ständerat beschlossenen Änderung von Art. 32 KVG.
Zu den vertraulichen Preismodellen (Art. 52c KVG) äusserte sich die SGK-N in zweiter Lesung leider kritisch und sprach sich gegen die ursprünglichen Beschlüsse des Nationalrats aus. scienceindustries unterstützt weiterhin die ursprüngliche Position des Nationalrats und fordert, dass diese Modelle beibehalten werden, da sie einen wichtigen Beitrag zu einem schnelleren Zugang zu innovativen Therapien leisten könnten.
Die Vorlage ist bereit für die Wintersession 2024 und scienceindustries plädiert im oben umschriebenen Sinn weiterhin für eine umfassende Sicherung der Versorgungsqualität und die Wahrung von Rechts- und Planungssicherheit im Schweizer Gesundheitssystem.