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Publikationen - Positionspapiere

Aussenwirtschaftsstrategie 2019-2023

Dieses Positionspapier ist der Beitrag für die strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik, zeigt auf, wie der Erfolg nachhaltig gesichert und gestärkt werden kann und bildet die Grundlage für ergänzende Positionspapiere zu Spezialfragen der Aussenwirtschaftspolitik.

17.05.2018

1. Zielsetzung

Der Erfolg der schweizerischen chemisch-pharmazeutischen Industrie basiert in hohem Masse auf der weltweiten Vermarktung ihrer innovativen Produkte. Mehr als 98% ihrer Produkte werden exportiert. Die chemisch-pharmazeutische Industrie trägt rund 45% zum Schweizer Gesamtexport bei und ist als grösste Exportindustrie der Schweiz deshalb weltweit auf den Marktzugang, auf den starken und durchsetzbaren Schutz des geistigen Eigentums sowie auf den wirksamen Schutz ihrer Direktinvestitionen angewiesen.

Dieses Positionspapier

  • ist der Beitrag von scienceindustries für die strategische Ausrichtung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik;
  • zeigt insbesondere auf, wie die Schweiz den nachhaltigen Erfolg ihrer chemisch-pharmazeutischen Industrie durch aussenwirtschaftspolitische Instrumente sichern und stärken kann, und
  • bildet die Grundlage für ergänzende scienceindustries-Positionspapiere zu Spezialfragen der Aussenwirtschaftspolitik (z.B. zur Europapolitik, zu den WTO-Verhandlungen, zu Freihandelsabkommen, zur Biodiversität usw.).


2. Aussenwirtschaftspolitik aus der Sicht von Chemie/Pharma/Biotech


2.1 Ziel: Unterstützung und Stärkung der Innovationsstrategie der Unternehmen

Die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie verfolgt eine konsequente Spezialisierungs- und Innovationsstrategie. Diese verlangt von den Unternehmen anhaltend hohe Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen. Aus diesem Grund wendete die chemisch-pharmazeutische Industrie im Jahr 2017 insgesamt CHF 7 Mrd. für betriebseigene Forschung und Entwicklung in der Schweiz auf, was einer Steigerung von 49% gegenüber 2006 entspricht. Damit steuert die chemisch-pharmazeutische Industrie 39% an den Gesamtaufwand für Forschung und Entwicklung in der Schweiz bei.

Solche langfristigen Investitionen lassen sich nur in einem Umfeld mit weltweit diskriminierungsfreiem Marktzugang und starkem und durchsetzbarem Schutz der Rechte am Geistigen Eigentum sowie der Direktinvestitionen wirtschaftlich rechtfertigen. Aus Sicht von scienceindustries soll der Staat seine Aussenwirtschaftspolitik deshalb konsequent zur Unterstützung und Stärkung dieser unternehmerischen Innovationsstrategie einsetzen. Dazu sollen die Stärken der Schweiz im Ausland voll ausgenützt werden.

 

2.2 Forderungen der chemisch-pharmazeutischen Industrie

Weltweiter Marktzugang. Der möglichst ungehinderte Zugang zu ausländischen Märkten er­möglicht der Industrie die Nutzung ihres Innovationsvorsprungs und der kostensenkenden Skaleneffekte in der Produktion in der Schweiz. Soweit Produkte beim Grenzübertritt regulatorische Anforderungen erfüllen müssen, sollen diese entweder international harmonisiert oder gegenseitig anerkannt werden. Der Marktzugang soll rechtlich abgesichert und im Vergleich zu Mitbewerbern aus Drittstaaten besser oder zumindest diskriminierungsfrei sein.

Weltweite Anerkennung der Innovationsleistung. Die eigenen Innovationsleistungen sind durch einen starken und weltweit möglichst einheitlichen und durchsetzbaren Schutz der Rechte am Geistigen Eigentum in all seinen Formen anzuerkennen. Dies erlaubt der Industrie die hohen unternehmerischen Risiken einzugehen, die mit Investitionen in Forschung und Entwicklung erfahrungsgemäss verbunden sind.

Weltweiter Schutz der Investitionen. Der durchsetzbare rechtliche Schutz von Investitionen gegen eigentumseinschränkende Massnahmen (z.B. Enteignung) ist eine wichtige Voraus­setzung für eine starke Präsenz auf internationalen Wachstumsmärkten.

Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung. Die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie bekennt sich zur nachhaltigen Entwicklung in ihren drei Dimensionen (ökonomisch, ökologisch und sozial). Ein möglichst freier Handelsaustausch zwischen den Ländern fördert die nachhaltige Entwicklung durch seine wohlstandssteigernden Wirkungen am besten.

 

3. Instrumente der Aussenwirtschaftspolitik


3.1 Multilaterale Instrumente

Für die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie sind die multilateralen Verträge, insbeson­dere im Rahmen der WTO, das effizienteste Instrument für den gegenseitigen Zollabbau, die Vereinfachung der Handelsverfahren sowie die Gewährleistung eines starken und einheitlichen Schutzes der geistigen Eigentumsrechte. scienceindustries spricht sich deshalb mit Präferenz für den Einsatz multilateraler Instrumente aus.

WTO-Verhandlungen. Die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie setzt sich konsequent für die Verbesserung des weltweiten Marktzugangs und die Stärkung des multilateralen WTO-Systems ein. Folgende Ziele sollen zu einem wirtschaftlich relevanten Abschluss gebracht werden:

  1. die rasche Abschaffung bzw. Senkung aller Zölle in den Kapiteln 28 bis 39.14 (vorzugsweise durch eine Nullzollsektor-Initiative Chemie),
  2. mindestens der Erhalt des bestehenden TRIPS-Schutzniveaus und
  3. die Verhinderung neuer Handelsbeschränkungen.

Des Weiteren soll die internationale Standardisierung von Regularien und Registrierungen vorangetrieben werden.

WTO-Pharmanullzollabkommen. Das WTO-Pharmanullzollabkommen ist für die chemisch-pharmazeu­tische Industrie von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung. Es regelt den zoll­freien Verkehr von pharmazeutischen Produkten sowie einer Reihe von Zwischenprodukten zwischen den derzeitigen Abkommensländern (EU-Mitgliedstaaten, Japan, Kanada, Macao, Norwegen, Schweiz und den USA). Die Komplexität und der Zeitbedarf für die Revisionen dieses Abkommens, haben die Notwendigkeit einer Vereinfachung des Update-Verfahrens durch ein unabhängiges Regelverfahren zur Integration von Materialien in das Abkommen erneut gezeigt. Die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie setzt sich weiterhin für eine Vereinfachung des Update-Verfahrens für die INN-Stoffe (pharmazeutische Aktivsubstanzen) ein.

Plurilaterales Nullzollabkommen für Chemie/Pharma. Als Alternative zur Nullzoll-Sektorinitiative Chemie, die der Weltchemieverband ICCA bereits vor Jahren vorgeschlagen hat, unterstützt die chemisch-pharmazeutische Industrie weiterhin die Idee eines plurilateralen Nullzollabkommens für Chemie/Pharma. Dieses Abkommen käme nur zustande, sofern sich die wichtigsten Produzentenländer (u.a. China, die USA, Indien, Brasilien, die EU) diesem anschliessen. Das plurilaterale Nullzollabkommen Chemie/Pharma würde auch das WTO-Pharmaabkommen ablösen und das entsprechende komplizierte und zeitraubende Update-Verfahren erübrigen.


3.2 Bilaterale Instrumente

Bilaterale Verhandlungen sind einzusetzen, um eine gegenseitige und über die multilaterale Einigung hinausgehende Verbesserung des Marktzugangs bzw. des Schutzes der Rechte am Geistigen Eigentum zu erreichen. Sie können schweizerischen Exporteuren gegenüber ihren Konkurrenten aus Drittstaaten einen Vorteil verschaffen oder zumindest Diskriminierungen vermeiden, wenn diese bereits über ein bilaterales Abkommen verfügen.

In den Verhandlungen mit der EU spricht sich scienceindustries für eine pragmatische Politik der bilateralen Kooperation in ausgewählten Bereichen und gegen eine institutionelle Einordnung der Schweiz (z.B. durch einen Beitritt zur EU) aus. Dabei stehen der Erhalt bzw. die Aktualisierung der bestehenden Abkommen und die Weiterentwicklung der Marktzugangsabkommen im Vordergrund.

Die bilateralen Instrumente können die multilateralen Verhandlungen nicht ersetzen, da ihr Geltungsbereich konzeptionell durch Ursprungsregeln festgelegt wird, deren Einhaltung und Kontrolle erhebliche administrative Kosten verursachen.

Freihandelsabkommen (FHA). scienceindustries unterstützt die Bemühungen der schweizerischen Behörden zur Schaffung eines Netzes von Freihandelsabkommen (innerhalb des EFTA-Verbundes oder bilateral). Für jedes einzelne FHA sollen die Verfahren zur Ursprungsbestimmung und Ursprungskontrolle möglichst einfach und vereinheitlicht sein. Das Schutzniveau beim Geistigen Eigentum soll dem schweizerischen Standard entsprechen. Die konkreten Forderungen der Industrie an FHA sind im Papier "Free Trade Agreements (FTA): Objectives of scienceindustries" nachzulesen.

Aus Sicht der schweizerischen chemisch-pharmazeutischen Industrie sind jene Länder prioritäre FHA-Kandi­daten, die für die Schweiz aus wirtschaftlicher Sicht – sei es aus Gründen des Marktzugangs oder des Schutzes des geistigen Eigentums – von hoher Bedeutung sind. Weiter sind diejenigen Länder relevant, mit denen wichtige Handelspartner der Schweiz (insbesondere die EU) ein FHA anstreben respektive bereits abgeschlossen haben.

Gemäss diesen zwei Kriterien sind bei anstehenden Verhandlungen von neuen Freihandelsabkommen folgende Prioritäten zu beachten:

 

Priorität 1

Priorität 2

USA

Grossbritannien

Mercosur**

Indien**

Eurasische Union**

Thailand**

Algerien**

Australien

Indonesien**

Malaysia**

Neuseeland

Vietnam**

Nigeria

*Verhandlungen in Vorbereitung / **Verhandlungen

lungen in Vorbereitung / **Verhandlungen

Bestehende FHA der 1. Generation müssen modernisiert werden und den heutigen Gegebenheiten angepasst werden. Die konkreten Forderungen der Industrie sind im Papier "Priorisierung der Nachverhandlung bestehender Freihandelsabkommen" nachzulesen.

Die Einhaltung der Menschenrechte sowie der Sozial- und Umweltstandards sollen in geeigneten multilateralen und plurilateralen Foren (z.B. ILO, UNO-Charta, OECD) behandelt werden. Der aktuelle Verhandlungsansatz des SECO wird unterstützt.


Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA). Die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie begrüsst die Bemühungen der Schweizer Behörden, mit wichtigen Handelspartnern möglichst umfassende MRAs abzuschliessen. Diese sind ein effizientes Instrument, um technische Handelshemmnisse aufgrund unter­schiedlicher staatlicher Vorschriften abzubauen. Dabei sind jene Länder prioritäre MRA-Kandi­daten, mit denen ein wichtiger Handelspartner der Schweiz (insbesondere die EU) bereits ein MRA abgeschlossen hat. Im Vordergrund stehen die Verhandlungen mit den USA.

 

4. Schnittstellen zur Umwelt- und Sozialpolitik: Fördern der nachhaltigen Entwicklung

Die Aussenwirtschaftspolitik soll in erster Linie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stärken und den Wohlstand eines Landes steigern. Damit schafft sie die Voraussetzungen, um den sozialen Zusammenhalt in den verschiedenen Staaten zu verbessern und trägt zur nachhaltigen Entwicklung bei. Die Aussenwirtschaftspolitik hilft ausserdem mit, die Umweltbelastung und den Ressourcenverbrauch auf ein dauerhaft tragbares Niveau zu senken.

Als Beitrag zur Diskussion über die bestmögliche Kohärenz der verschiedenen internationalen Regelwerke nimmt scienceindustries nachfolgend zu zentralen Fragen Stellung:

Product Requirement (Produktanforderungen). Die fortschreitende internationale Angleichung bzw. Harmonisierung von Anforderungen an Produkte erleichtert den internationalen Handel und ist durch die Behörden zu unterstützen. Die Vorschriften sollen sich auf wissenschaftliche Evidenz und anerkannte Risikobeurteilungen (risk-based assessment) abstützen.

Process and Production Methods PPMs (Anforderungen an Produktionsverfahren). Auf Grund der Komplexität und Diversität der Produktionsprozesse in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist eine internationale Harmonisierung der Herstellverfahren weder möglich noch anzustreben. Solche Vorgaben behindern das Aufkommen neuer innovativer Produktionstechnologien.

Border Tax Adjustments (Grenzausgleichszölle). Unterschiedliche Produktionskosten in verschiedenen Ländern infolge unterschiedlich strenger Umweltauflagen sollen nicht durch Ausgleichszölle ausgeglichen werden. Die korrekte Zollhöhe liesse sich auf Grund der zahlreichen Produktionsmethoden administrativ nicht ermitteln.

Trade Measures to Achieve Environmental Objectives (Handelsmassnahmen zur Erreichung von Umweltzielen). Multilaterale Umweltabkommen sollen Handelssanktionen nur unter eingeschränkten Bedingungen (u.a. necessary, least trade restrictive, proportionate) vorsehen dürfen. Diese Kriterien sollen vorgängig durch eine Interpretation von Art. XX WTO festgelegt werden. Unilaterale Handelssanktionen zur Erreichung umweltpolitischer Ziele verletzten die internationalen Handelsregeln und müssen ausgeschlossen werden.


Bei Umsetzung dieser zentralen Forderungen bis 2023 ist scienceindustries überzeugt, dass die schweizerische chemisch-pharmazeutische Industrie auch in Zukunft einen substanziellen Beitrag zur Stärkung der Schweizer Volkswirtschaft beitragen kann.

 

Positionspapier zum Download (PDF)


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