Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

Publikationen - Positionspapiere

Investitionsprüfungen von In- und Auslandsinvestitionen

05.09.2024

Investitionsprüfungen von In- und Auslandsinvestitionen - bestehende Instrumente sind absolut ausreichend


Ausgangslage

Mit der Annahme der Motion 18.3021 Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» im März 2020 hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, gesetzliche Grundlagen für eine Prüfung von ausländischen Investitionen zu schaffen.

Die vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegebene vertiefte Regulierungsfolgenabschätzung (nachfolgend RFA-Investitionsprüfung) kommt zum Schluss, dass bereits zahlreiche Instrumente bestehen, mit denen diesen Gefährdungen oder Bedrohungen begegnet werden kann.

Insbesondere die kritischen Infrastrukturen sind deshalb bereits gut geschützt (bspw. Energie, Wasser, Verkehr). Weniger gut geschützt sind gemäss der RFA-Investitionsprüfung hingegen die Bereiche Rüstungs- und Dual-Use-Güter, sicherheitsrelevante IT-Dienstleistungen sowie Arzneimittel und Medizinprodukte.

Der Bundesrat hat nachfolgend am 15. Dezember 2023 die Botschaft für ein Investitionsprüfgesetz verabschiedet. Der Fokus der Investitionsprüfung wird auf staatlich kontrollierte Investoren sowie auf inländische Unternehmen gelegt, die in einem besonders kritischen Bereich[1] tätig sind.

Im Rahmen der EU Economic Security Strategy [2] wird nun bereits geprüft, ob auch Auslandinvestitionen von EU-Unternehmen[3] einer Investitionskontrolle unterworfen werden sollen, die in folgenden kritischen Bereichen aktiv sind: fortschrittliche Halbleiter, künstliche Intelligenz, Quantentechnologien und Biotechnologien. Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie stellen mit ihrer sehr breiten Produktepalette entsprechende Produkte für die Halbleitermaterialien und biotechnologische Produkte her und nutzen viele Produkte und Verfahren, die in den Geltungsbereich einer solchen Regulierung fallen.

1.    Position zu Kontrollen von ausländischen Investitionen in der Schweiz

Die rund 250 Mitgliedsunternehmen der innovativen Industrien Chemie, Pharma und Life Sciences sind global vernetzt und von ausgezeichneten Rahmenbedingungen im In- und Ausland abhängig. Die bishe­rige Politik der Offenheit gegenüber Investitionen aus dem Ausland ist für diese und somit auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz von zentraler Bedeutung und kann als eigentliches Erfolgsmodell be­zeichnet werden. Der möglichst freie Zufluss von Kapital und Wissen trägt massgeblich zur Wertschöpfung sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Schweiz bei.

Kritische Infrastrukturen

scienceindustries teilt die Beurteilung des Bundesrates, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Investitionsprüfung ungünstig und das bestehende Regelwerk von Bund und Kantonen ausreichend ist.

Der weitgehende Staatsbesitz bei kritischen Infrastrukturen sowie die bestehende Gesetzgebung bieten bereits heute einen angemessenen Schutz gegenüber Gefährdungen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Schweiz.

Die aktuell gültige Gesetzgebung stellt in den Bereichen Kriegsmaterial und dual-use-Güter bereits heute sicher, dass weder Güter noch entsprechendes know-how (Technologietransfer) unkontrolliert ins Ausland exportiert werden können.[4]

Eine Umgehung der Exportkontrolle ist durch die Übernahme des Unternehmens nicht möglich. Damit erübrigt sich die Einführung einer Investitionsprüfung für solche Unternehmen.

Versorgungssicherheit

Unternehmen, die im Bereich der Forschung, der Entwicklung, der Produktion und des Vertriebs von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Impfstoffen und persönlicher medizinischer Schutzausrüstung tätig sind, sind in internationale Wertschöpfungsketten eingebettet. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Krisensituationen nur durch internationale Kooperationen bewältigt und die Versorgungssicherheit nur durch das Aufrechterhalten eben dieser Wertschöpfungsketten aufrechterhalten werden können.

Durch die Unterwerfung solcher Unternehmen unter das Investitionsprüfgesetz würde die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb gestört. Dies ist insofern problematisch, als dass die Schweiz nicht in der Lage ist, die gesamte Produktionskette selbst abzudecken.

Um die Versorgungssicherheit mit lebensnotwendigen Gütern in Krisenzeiten sicher zu stellen, verfügt die Schweiz bereits heute über entsprechende gesetzliche Grundlagen (Landesversorgungsgesetz (LVG, SR 531); Epidemiengesetz (EpG, SR 818.101)). Mit der Einführung wird aus unserer Sicht die Versorgungssicherheit eher geschwächt als gestärkt. Dementsprechend ist die Investitionsprüfung solcher Unternehmen weder sinnvoll noch zielführend.

Wirtschaftsstandort

Die 18'133 unter ausländischer Kontrolle stehenden Unternehmen in der Schweiz beschäftigten gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) 2021 rund 540'000 Mitarbeiter.[5]

Wer glaubwürdig von Partnerländern Marktöffnung für Direktinvestitionen einfordert, der kann im eigenen Markt nicht staatliche Investitionskontrollen aufbauen. Gemäss Bundesrat tragen internationale Investitionen und der Handel zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand bei. Dies gilt aufgrund ihres beschränkten Binnenmarkts in besonderem Masse für die Schweiz. Neben den grossen multinationalen Unternehmen nehmen auch mehrere hundert kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Ausland Direktinvestitionen vor. Die Schweiz gehört mit insgesamt über 1 319 Milliarden Schweizerfranken zu den grössten Kapitalexporteuren weltweit. [6]

Die Einführung einer Investitionsprüfung würde zu zusätzlichen administrativen Belastungen der betroffenen Unternehmen, zu einer erhöhten Unsicherheit für Investoren und damit zu einer Minderung der Standortattraktivität der Schweiz führen. Zudem würde sie die Rolle der Schweiz als Empfängerin von ausländischen Investitionen und als weltweit aktive Investorin schwächen.

Die Verhandlungsposition der Schweiz in Verhandlungen zu internationalen, bi-, pluri- und multilateralen Handelsabkommen würde dadurch signifikant geschmälert, ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.

Für eine kleine, hochspezialisierte Volkswirtschaft wie die Schweiz ist die Integration in die internationalen Wertschöpfungsketten und Wissensnetzwerke essenziell.

2.    Position zu Kontrollen von Auslandinvestitionen schweizerischer Unternehmen

Mit einem Bestand von Direktinvestitionen im Ausland im Wert von über 1‘400 Mia. CHF (Daten IMF) gehört die Schweiz weltweit zu den zehn grössten Kapitalexporteuren. Gleichzeitig bietet sich die Schweiz mit rund 1’000 Mia. CHF ausländischen Direktinvestitionen als Standort für Kapi­talanlagen aus dem Ausland an.[7]

Der Bestand der Direktinvestitionen in den USA betrug Ende 2021 315 Milliarden Franken, was 22.4 % aller schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland entspricht. Zum Vergleich: Die vier Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich vereinen zusammen 11.4 % der Direktinvestitionen auf sich. Der Kapitalbestand der Schweizer Investitionen in China belief sich Ende 2021 auf 26.04 Milliarden Franken (+2.4 %) bzw. 1.9 % der gesamten Direktinvestitionen im Ausland.

2022 betrug der Bestand der Direktinvestitionen der Chemie Pharma Life Sciences Industrien im Ausland knapp 193 Mia. CHF, während ausländische Unternehmen einen Bestand an Direktinvestitionen in der Schweiz von rund 93 Mia. CHF ausweisen konnten.[8]

Die Chemie Pharma Life Sciences Industrien der Schweiz sind über Handel und über Investitionen stark international engagiert.

Internationale Direktinvestitionen sind eine wichtige Grösse der globalisierten Wirtschaft. Sie tragen positiv über den gegenseitigen Wissenstransfer, Innovationen und effiziente Wertschöpfungsketten zum Wachstum im In- und Ausland bei. Die erfolgreiche globale Transformation der Wirtschaft ist ohne Direktinvestitionen ebenso wenig vorstellbar wie der Entwicklungsprozess des globalen Südens.

Ausländische Direktinvestitionen führen weltweit zu neuen Absatzmärkten und geben einen Anreiz, Investitionen in der Schweiz zu tätigen. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist ein hohes Gut, ebenso der Schutz des Privateigentums. Beides stärkt die Wirtschaft, sichert Arbeitsplätze und fördert den Wohl­stand.

Forschung und Entwicklung

Die Mitgliedsunternehmen von scienceindustries zeichnen sich durch die Herstellung innovativer Produkte aus. Sie nutzen für die Herstellung dieser Produkte Technologien, Ausgangsmaterialien und Verfahren, die in den USA und in der EU als sensible Technologien definiert werden – dazu gehören KI, Quanten-Computing oder etwa die Biotechnologie.

Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien und somit die Bewältigung der bestehenden Herausforderungen u.a. im Bereich der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial, ökonomisch) sind nur mittels internationaler Zusammenarbeit möglich. An neuen Technologien wird global geforscht, Interaktionen unter Forschenden sind daher wichtig, die Schweiz kann sie nicht im Alleingang auf international wettbewerbsfähigem Niveau entwickeln. Diese globale Zusammenarbeit ermöglicht gerade in Zeiten des Fachkräftemangels Zugang zu entsprechenden Ressourcen. Risiken und Sorgen im Zusammenhang mit einem möglichen "technology leakage", dem schädigenden Wissensabfluss, können durchaus fallweise analysiert werden.

Die Unternehmen prüfen genau, welche Technologien sie wo einsetzen. Sie sind sich der Gefahr von „technology leakage“ und Industriespionage bewusst.

Kontrollen und Verbote schaden dann, wenn unerwünschte Technologie-Entwicklung dadurch forciert wird oder systemische Rivalen dadurch auf Drittmärkten Vorteile erlangen.

Eine Pauschalisierung durch die Einführung einer Investitionskontrolle für Auslandinvestitionen erachtet scienceindustries als nicht zielführend. Durch das Kriegsmaterialgesetz (KMG, SR 514.51) und das Güterkontrollgesetz (GKG, SR 946.202) regulierte Produkte und damit einhergehendes Wissen werden bereits heute einer Exportkontrolle unterworfen. Der damit verbundene bürokratische Auf­wand sowie weitere damit verbundene Kosten zur Einhaltung bisheriger Kontrollregime ist bereits heute erheblich.

Marktzugang

Am 08.03.2022 hat der Nationalrat als Zweitrat die Motion 21.3595 (Gleich lange Spiesse für Schweizer Unternehmen. Investitionen in chinesische Unternehmen ermöglichen (Reziprozität)) angenommen und damit den Bundesrat beauftragt, bei der Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens mit China darauf hinzuwirken, dass schweizerischen Unternehmen ermöglicht wird, grundsätzlich uneingeschränkt Anteile chinesischer Unternehmen zu erwerben und solche zu übernehmen (Prinzip der Reziprozität).

Das unterzeichnete Freihandelsabkommen mit Indien beinhaltet ein Kapitel über Investitionsförderung. Darin wurden zwei Zielgrössen definiert: Eine Zunahme von 100 Milliarden US-Dollar an Investitionen aus der EFTA sowie die damit verbundene Schaffung von 1 Million Arbeitsplätze in Indien über die nächs­ten 15 Jahre.[9]

Die Kontrolle von Auslandinvestitionen würde sowohl die Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens mit China wie auch die Umsetzung und Nutzung des Freihandelsabkommens mit Indien in Fra­ge stellen und diese womöglich gar verunmöglichen.

Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit

Die Nähe der Produktion zu den Absatzmärkten kann aufgrund der Zunahme der entsprechenden Regulierungen im Handelsverkehr aber auch im Nachhaltigkeitsbereich wirtschaftlich und ökologisch durch­aus sinnvoll sein. Neben der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den globalen Mitbewerbern können so u.U. Prozesse vereinfacht, Lieferwege verkürzt, GHG-Emissionen (Treibhausgas-Emissionen) reduziert und Kosten eingespart werden. Zudem können unsere Standards im Zielland ein­geführt werden und so einen Beitrag zur Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen leisten.

Auslandsinvestitionen können die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und die Nachhaltigkeit in Zielländern fördern.

3.    Fazit

scienceindustries lehnt die Einführung von staatlichen Kontrollen für Investitionen (Inbound-/Outbound Investment Screening) ab.

Investitionskontrollen führen zu Unsicherheit für Investoren und Unternehmen und mindern die Stand­ortattraktivität der Schweiz.

Investitionskontrollen sind ein massiver staatlicher Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie.

Ein Mehrwert einer zusätzlichen Regulierung ist nicht erkennbar – Nutzen und Kosten stehen in keinem angemessenen Verhältnis zueinander.

Ein Nachweis bestehender Lücken fehlt aus unserer Sicht. Der Schutz kritischer Infrastrukturen im Besitz der öffentlichen Hand ist bereits heute sichergestellt, die durch das KMG und das GKG regulierten Waren und damit verbundenes Know-how werden bereits heute beim Export kontrolliert.

Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Einbettung in internationale Lieferketten für die Bewältigung einer Krise und die Versorgungssicherheit sehr wichtig ist.

 

 

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