Dossiers - Nachhaltige Ernährungssysteme
Mit Notfallzulassungen die Lücken im Pflanzenschutz stopfen
Die Verfügungen von Notfallzulassungen zum Schutz der Pflanzengesundheit steigen proportional zu den hängigen Zulassungsgesuchen für modernere und damit oft umweltfreundlichere Pflanzenschutzmittel. Das Bewilligungsprozedere dauert durchschnittlich acht Jahre. Ein Innovationsstau, den sich die Schweizer Landwirtschaft nicht leisten kann.
31.07.2023
Damit Innovationen im Pflanzenschutz ihre positive Wirkung entfalten können, müssen sie schnell den Weg zum Markt finden. Dies ist heute in der Schweiz nicht der Fall: Zwar folgt unser Land den Entscheiden der EU beim Rückzug von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, nicht jedoch bei der Zulassung in der EU. Da somit weder gleichwertige noch bessere Produkten den Weg auf den Schweizer Markt finden, öffnen sich Lücken bei der Krankheits-, Unkraut- und Schädlingskontrolle.
Notfallzulassungen nur temporäre Lösung
Damit betroffene Kulturen weiterhin regional und für den Schweizer Markt produziert werden können, erlaubt die Gesetzgebung Anträge auf Notfallzulassungen. Die Zulassungsstelle kann Pflanzenschutzmittel für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung zulassen, sofern sich eine solche Massnahme angesichts einer nicht anders abzuwehrenden Gefahr für die Pflanzengesundheit als notwendig erweist. Der Bund hat das Problem erkannt und beabsichtigt im Aktionsplan Pflanzenschutz, die Lückenindikationen zu schliessen.
Die Folgen der Ausdünnung der Schutzmöglichkeiten von Kulturen sind nicht zu unterschätzen. Insbesondere im Gemüsebau können einzelne Kulturen wegen mangelndem Schutz gegen Schädlingsbefall nicht mehr marktkonform und kostendeckend angebaut werden. Damit schrumpft die Vielfalt der produzierten Nahrungsmittel in der Schweiz. Die Notfallzulassung von teils veralteten Pflanzenschutzmitteln ist somit nur eine temporäre Lösung.
Moderner, integrierter Pflanzenschutz notwendig
Für die Ernährungssicherheit und die Kultivierung vielfältiger, regional produzierter Nahrungsmittel ist ein moderner, integrierter Pflanzenschutz unumgänglich. Die Übernahme der EU-Zulassungsentscheide für Pflanzenschutzmittel wäre eine Schlüsselmassnahme: Damit könnten Schweizer Landwirte im Gleichschritt mit den EU-Ländern von den Innovationen im Pflanzenschutz profitieren. Dies ist wegen des sehr langsamen Schweizer Zulassungsprozesses seit etlichen Jahren nicht mehr der Fall.
Im Gesetzesvollzug stellt der Bund bei der Bewertung der Wirkstoffe direkt auf die entsprechende EU-Verordnung sowie die Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA ab. Entsprechend müsste die Schweiz auch die EU-Zulassung neuer Wirkstoffe und Produkte anerkennen und die Zulassung in der Schweiz unter Berücksichtigung der nationalen Gesetzgebung ermöglichen. Ebendies fordert die Parlamentarische Initiative 22.441 von Nationalrat Philipp Bregy, welche von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats zur Umsetzung empfohlen wird. Es ist zu hoffen, dass die Schwesterkommission ihr folgen wird und den Boden ebnet für einen zukunftsorientierten, nachhaltigen Pflanzenschutz.