Dossiers - Chemikalienregulierung
Fakten zu PFAS und zur SRF-Berichterstattung
In Beiträgen des SRF (Kassensturz, Echo der Zeit, "heuteMorgen") wurden Vorwürfe an die Industrie im Zusammenhang mit PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) erhoben. Wir nehmen zu den Vorwürfen Stellung und klären wesentliche Fakten.
14.01.2025
1. PFAS werden von SRF als "schädlich" taxiert
Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind chemische Stoffe, die aufgrund ihrer Festigkeit, Haltbarkeit, Stabilität und Widerstandsfähigkeit in einer breiten Palette von Produkten nicht mehr wegzudenken sind. Diese Eigenschaften sind entscheidend für die zuverlässige und sichere Funktion einer breiten Palette von Produkten, die für Gewerbe, Industrie und Verbraucher wichtig sind:
- Bestandteil des modernen Lebens: PFAS sind ein vielfältiges Universum von chemischen Stoffen, die für das moderne Leben unverzichtbar sind. Auch zahllose Produkte des täglichen Bedarfs werden aktuell mithilfe von PFAS hergestellt – seien es Kleider, Küchengeräte oder Verpackungen.
- Einsatz in Industrie und Gewerbe: PFAS sind Bestandteil vieler Dichtungen, werden für die Herstellung von Computer-Chips oder Solarzellen benötigt. Aber auch gewerbliche und industrielle Kunden profitieren davon, dass Produktionsanlagen länger verwendet werden können.
- Gesundheitsversorgung und Forschung: Sehr viele Medikamente für Mensch und Tier enthalten PFAS als Wirkstoffe. Auch sind sie in der Diagnostik sowie der naturwissenschaftlichen Forschung und Entwicklung praktisch unabdingbar.
- Energieeffizienz und Erneuerbare: PFAS machen Gebäudehüllen dicht, sind integraler Bestandteil von Photovoltaikanlagen, Batteriespeichern sowie Wasserturbinen, deren Funktionalität sonst nicht gewährleistet werden könnte. Auch bei einem Grossteil der heute in Schweizer Wohnhäusern verbauten Wärmepumpen ermöglichen PFAS den Wärmetransport in Wohn- und Arbeitsräume.
- Reduktion von Ressourcen und Abfällen: PFAS helfen, den Ressourcenverbrauch zu senken und das Abfallaufkommen zu reduzieren: Dank ihrer speziellen Eigenschaften verlängern sie Lebensdauer von Produkten für die Endkonsumentinnen und -konsumenten. In ihrem Bestreben, die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen, haben die Hersteller von PFAS-Chemikalien zahlreiche Praktiken und Technologien entwickelt, die Umweltemissionen minimieren.
Viele PFAS sind aufgrund ihrer einzigartigen Stabilität tatsächlich schwer abbaubar. Einige PFAS sind wasserlöslich und damit mobil, einige sind toxisch, weshalb Regulierungsbehörden weltweit gefordert sind, Mensch und Umwelt zu schützen. Allerdings haben Untersuchungen von Behörden wie beispielsweise der amerikanischen Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) und des New York Department of Environmental Conservation gezeigt, dass PFAS-Chemikalien durch eine ordnungsgemässe Abfallentsorgung zerstört werden können. Somit kann potenziellen Probleme am Ende des Lebenszyklus' durchaus begegnet werden.
Für den sicheren Umgang mit PFAS-Chemikalien für Mensch und Umwelt sowie die verhältnismässige Festlegung von Grenzwerten setzt sich scienceindustries gemeinsam mit weiteren Industrie- und Wirtschaftsverbänden ein. Es geht dabei das Abwägen der Vor- und Nachteile der Verwendung spezifischer Chemikalien. Zudem muss das Wissen über die Eigenschaften der spezifischen Chemikalien vorhanden sein, allenfalls möglicher Alternativen evaluiert werden, sowie deren Verwendung in Industrie, Gewerbe und private Verbraucher bekannt sein. PFAS-Herstellerfirmen wollen Teil der Lösung sein, ob hinsichtlich einer verantwortungsvollen Produktion oder der Verwendung der chemischen Stoffe.
2. Zu den OECD-Kriterien und der Einstufung von Fluorpolymeren als „Polymers of Low Concern“
Die SRF-Berichterstattung kritisiert, dass Fluorpolymere als "wenig bedenklich" eingestuft wurden, obwohl die OECD angeblich keine solchen Kriterien definiert habe. Dies entspricht nicht der Sachlage:
- Historische Einstufung von Polymeren: In der Vergangenheit wurden Polymere aufgrund ihrer geringen Bioverfügbarkeit und hohen Stabilität grundsätzlich als „Polymers of Low Concern“ betrachtet. Dies ist sowohl im Schweizer als auch im EU-Chemikalienrecht verankert.
- OECD-Diskussionen: Fluorpolymere wurden in Arbeitsgruppen der OECD thematisiert. Die Abgrenzung zwischen "Polymer of Concern" und "Polymer of Low Concern" basiert auf wissenschaftlichen Kriterien wie Molekulargewicht und Monomereinheiten. Diese Diskussionen sind dokumentiert und wurden von scienceindustries korrekt wiedergegeben.
- Geringes Risikopotenzial: Wir betonen, dass die chemisch-physikalischen Eigenschaften von Fluorpolymeren ein geringes Risikopotenzial für Mensch und Umwelt aufweisen. Die Behauptung, die Industrie stütze sich auf falsche OECD-Aussagen, ist daher unbegründet.
In der SRF-Sendung "Kassensturz" vom 14.01.2025 wird von Prof. Martin Scheringer (ETH Zürich) bestätigt, dass die Fluorpolymere per se keinen negativen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben. Dazu ist folgendes festzuhalten:
- Stoffeigenschaft versus Lebenszyklus: Natürlich ist neben der Betrachtung der Eigenschaften eines chemischen Stoffs auch dessen Lebenszyklus zu betrachten. sprich seine Herstellung sowie gegebenenfalls Recycling und Entsorgung. Dank Risikomanagement-Massnahmen wird das Risiko, dass Stoffe und Herstellungsverfahren negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben, stetig gesenkt. Risikomanagement ist ein permanenter Verbesserungsprozess.
- Risikomanagement-Massnahmen greifen: Die Industrie und die breite Bevölkerung verwenden in fast allen Lebensbereichen sichere Fluorpolymere seit Jahrzehnten. Dank Risikomanagement-Massnahmen entstehen für ähnliche Stoffe, wie sie bereits vor 50 und mehr Jahren hergestellt werden, heute viel weniger negative Umwelteffekte, obwohl die produzierten Stoffmengen sich vervielfacht haben. So sind neuere Produktionsanlagen besser abgedichtet als ältere; verbesserte Prozesse und Bauteile, z.T. auch Fluorpolymere, reduzieren die Unfallwahrscheinlichkeit und damit das Risiko von Freisetzungen zusätzlich.
3. PFAS und deren Alternativen
Die SRF-Recherche kritisiert, dass scienceindustries und andere Akteure behaupten, PFAS seien in vielen Bereichen alternativlos, ohne dies ausreichend zu belegen. Die Stoffgruppe, die unter die PFAS-Definition fällt, umfasst tausende Verbindungen aus verschiedenen Stoffklassen, mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Anwendungsgebieten, die nicht pauschal bewertet werden können.
- Beispiel: Medizinaltechnik: In minimalinvasiven Operationsinstrumenten werden Fluorpolymere, also Feststoffe, verwendet, da diese Eigenschaften wie Biokompatibilität, geringe Reibung, hohe elektrische Isolationsfähigkeit und hohe chemische und thermische Stabilität vereinen. Einzelne Alternativen sind bekannt, jedoch hauptsächlich für Anwendungen, die nur einige wenige der vielen speziellen Eigenschaften von Fluorpolymeren benötigen. Bei Anwendungsbereichen wie der Medizinaltechnik, die eine ganze Reihe dieser Eigenschaften gleichzeitig benötigen, ist die intensiv betriebene Forschung nach Alternativen noch von wenig Erfolgen gekrönt. Das macht Fluorpolymere für solche Anwendungen, nach heutigem Wissensstand, auf absehbare Zeit nicht ersetzbar.
- Beispiel: Wärmepumpen: Viele in der Schweiz installierte Wärmepumpen nutzen PFAS-basierte Wärmeträgermedien - dabei handelt es sich sich um Gase. Ein Übergang zu alternativen Medien erfordert eine langfristige Planung, da bestehende Systeme technisch nicht einfach mit einem anderen Gas, das andere Eigenschaften hat, betrieben werden können, sondern komplett ersetzt werden müssten. Dies hätte hohe Kosten für Verbraucher zur Folge und birgt Zielkonflikte in Sachen Nachhaltigkeit. Zudem haben alternative Systeme, die mit Ammoniak oder Propan-/Butan-Mischungen, betrieben werden, alternative Risiken (Ammoniak ist akut toxisch, Propan-/Butan-Mischungen sind extrem brandgefährlich). Hinzu kommt, dass ein zeitnaher Ersatz bestehender Anlagen auf PFAS-Basis – es sind allein in der Schweiz in den letzten 10 bis 20 Jahren Zehntausende solcher Anlagen, subventioniert durch das Gebäudeprogramm des Bundes, die installiert wurden, um Öl- und Gasheizungen abzulösen – durch die beschränkte Verfügbarkeit der alternativen Anlagen und des für deren Installation benötigten Fachpersonals abgebremst wird.
- Weitere Anwendungen: In der Elektronik, beispielsweise bei Halbleitern oder in Lithium-Ionen-Batterien, sind PFAS aufgrund ihrer Stabilität und Leistungsfähigkeit auf absehbare Zeit essenziell. Ebenso in der Textilindustrie, wo wasserabweisende Eigenschaften gefragt sind.
Obwohl in einigen Bereichen Alternativen existieren, sind sie häufig noch nicht in industriellem Massstab verfügbar oder weisen eine geringere Effizienz oder andere unerwünschte Effekte auf. Forschung und Entwicklung konzentrieren sich darauf, nachhaltigere Alternativen zu schaffen, die dieselben Eigenschaften bieten.
4. Kosten von PFAS-Sanierungen
Die von SRF genannten Sanierungskosten basieren auf hypothetischen Szenarien. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) empfiehlt zu prüfen, wie das Verursacherprinzip künftig gestaltet werden kann, damit sich Herstellerinnen und Importeure finanziell an der Behebung von Schäden beteiligen müssen.
- Mehr Wissen notwendig: scienceindustries sieht diese Empfehlung eher kritisch, solange kein besseres Verständnis über die tatsächlichen Ursachen und Emissionspfade besteht.
- Verursacherprinzip funktioniert: Der bisherige Ansatz, nachdem der Verursacher in die Pflicht genommen wird, funktioniert aus Sicht der Industrie ausreichend gut und nimmt die Verursacher von Umweltkontaminationen, seien das Unternehmen oder Private, bereits heute in die Pflicht, die von ihnen verursachten Schäden materiell zu beheben und finanziell zu entschädigen.
- Bürokratie- und Kontrollwesen: Es bestehen auch Zweifel darüber, wie eine Änderung des bisher gut funktionierenden Prozesses in der Praxis umgesetzt werden soll, ohne dass hier ein ausuferndes Bürokratie- und Kontrollwesen die Preise für Publikumsprodukte ebenso wie für gewerblich und industriell genutzte Produkte erheblich erhöhen und die Hochpreisinsel Schweiz noch hochpreisiger machen würde.
Die Industrie arbeitet intensiv daran, unbeabsichtigte Emissionen zu minimieren und bestehende Kontaminationen zu beheben. Dazu gehören auch Bemühungen, um mehr Informationen über die tatsächlichen Ursachen und Emissionspfade in Erfahrung zu bringen, mit Forschung und Entwicklung aktiv bei der Behebung von Umweltkontaminationen mitzuwirken und die Behörden wo immer möglich mit Fachwissen zu unterstützen.
5. Regulatorischer Ansatz: Differenzierung statt Pauschalverbot
Ein umfassendes PFAS-Verbot wird der Vielfalt der Stoffgruppe und deren Anwendungen nicht gerecht:
- Gezielte Regulierung: Die Schweiz hat bereits strenge Regeln für PFAS in Bereichen wie Löschschäumen und Wärmeträgermedien eingeführt. Erst kürzlich wurden weitere Einschränkungen für bestimmte Anwendungsbereiche vom Bund in die Vernehmlassung gegeben – scienceindustries wird sich hierzu noch äussern. Pauschale Verbote könnten innovative Entwicklungen behindern und alternative Stoffe ohne umfassende Umweltbewertung einführen.
- Nachhaltige Entwicklung: Eine wissenschaftlich fundierte Regulierung, die Risiko und Nutzen gegeneinander abwägt, ist entscheidend, um eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.
Fazit
scienceindustries setzt sich für eine faktenbasierte, differenzierte Diskussion ein. Wir fordern, dass die Berichterstattung sachlich bleibt und die Komplexität der Thematik berücksichtigt. Wissenschaftliche Erkenntnisse und die Perspektive der Industrie sollten gleichermassen in politische Entscheidungen einfliessen, um eine nachhaltige und innovationsfreundliche Zukunft zu gewährleisten. Unsere detaillierten Antworten auf die teils auf falschen Fakten und haltlosen Vorwürfen basierenden Fragen von SRF finden sich hier abgebildet: scienceindustries - SRF-Medienberichterstattung zu PFAS