Publikationen - «Carte Blanche» Gastbeiträge
Dr. Eric Scheidegger, Leiter Direktion für Wirtschaftspolitik SECO
Sonnen- und Schattenseiten von Regulierungen
29.11.2023
Keine funktionierenden Märkte ohne effiziente Regulierungen: Soweit gibt es einen politischen Konsens. Dennoch werden auch in der Schweiz ausufernde Regulierungen beklagt. Bundesrat und Parlament haben jüngst neue verbindliche Vorgaben beschlossen, damit die Behörden verstärkt auf bessere Regulierung achten.
Es gibt wirtschaftspolitische Fragen, die von Natur aus schwierig zu beantworten sind. Eine typische Vertreterin dieser Kategorie lautet etwa folgendermassen: Haben wir in der Schweiz zu wenig, genügend oder zu viel Regulierung? Befragt man Menschen auf der Strasse, scheint eine deutliche relative Mehrheit von rund 50 Prozent mit der Regulierungspraxis in der Schweiz zufrieden zu sein.
Umgekehrt zeigen Unternehmensbefragungen, dass 60 Prozent der Firmen die administrative Belastung durch Regulierungen als eher hoch oder hoch beurteilen. Diese scheinbare Diskrepanz hat einen einfachen Grund: Staatliche Spielregeln sind in einer modernen Marktwirtschaft unabdingbar und tragen zum wirtschaftlichen Wohlstand bei. Dieselben Interventionen gehen jedoch für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen mit einer administrativen Belastung einher.
Regulierung ist notwendig, resultiert aber in Kosten
Zur Sonnenseite von Regulierungen gehört ihr gesellschaftlicher Nutzen, indem sie etwa die öffentliche Sicherheit gewährleisten, die Umwelt schützen oder die Gesundheitsversorgung verbessern. Eine Vielzahl an gesellschaftlichen Herausforderungen kann durch zielgerichtete Regulierungen wirksam gemeistert werden.
Zu den Schattenseiten der Regulierung gehören staatlich auferlegte Handlungspflichten für die Unternehmen (z.B. Berichterstattungspflichten) und Individuen (z.B. Bewilligungsverfahren). Sie schränken deren Handlungsfreiheit ein und führen damit zu Regulierungskosten. Dies bedeutet, dass Wirtschaftsakteure Ressourcen nicht für produktive Tätigkeiten einsetzen können. Da Regulierungskosten zudem oft Fixkostencharakter haben, belasten sie KMU stärker als grössere Unternehmen.
«Bundesbern» hat Handlungsbedarf erkannt
Seit vielen Jahren stellt die Reduktion der Regulierungsbelastung von Unternehmen ein politisch und ökonomisch zentrales Thema dar. In «Bundesbern» werden regelmässig parlamentarische Vorstösse zur Eindämmung der beklagten Regulierungsflut überwiesen. Bundesrat und Parlament haben den Handlungsbedarf denn auch erkannt: In der Herbstsession 2023 wurden mit dem Unternehmensentlastungsgesetz neu verbindliche Vorgaben an die regulierenden Behörden verabschiedet.
Die neuen Grundlagen zugunsten einer besseren Regulierungspolitik zielen darauf ab, die Regulierungsbelastung der Unternehmen zu reduzieren und die Digitalisierung von Behördenleistungen für Unternehmen weiter auszubauen. Die vorgeschlagenen Mass-nahmen setzen sowohl bei bestehenden als auch bei neuen Regulierungen an. Regulierungen sollen systematisch auf Entlastungspotenzial geprüft und die Regulierungskosten der Unternehmen transparenter ausgewiesen werden.
Ich bin zuversichtlich, dass eine parteiübergreifende Bereitschaft für «bessere Regulierung» besteht. Der Staat soll nicht in das Verhalten und Entscheiden von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen eingreifen, ohne dabei auf die geringstmöglichen Vollzugskosten zu achten.