Publikationen - «Carte Blanche» Gastbeiträge
Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem
Umfassende Regulierung von PFAS bedroht die Schweizer Tech-Industrie
16.07.2024
Selten haben EU-Bürokraten so viel Glaubwürdigkeit in so kurzer Zeit verspielt: Das geplante PFAS-Verbot droht Europas Industrie in Spitzenanwendungen der Fertigungsindustrie und Umwelttechnologie ins Abseits zu stellen. Die Schweiz muss ihren Spielraum nutzen, zuwarten, risikobasiert regulieren und in die Forschung neuer Materialien investieren.
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) oder "Ewigkeitschemikalien" sind extrem beständig gegen Säure, grosse Temperaturunterschiede oder Reibung, und ihre Anwendung ist extrem vielseitig – von der Teflonbeschichtung für Bratpfannen bis hin zur Pumpe für hochreine Flüssigkeiten in der Halbleiterindustrie sind PFAS unverzichtbar.
Von den bis zu 10'000 theoretisch existierenden PFAS sind einige hundert auf dem Markt. Viele Zusammenhänge zu PFAS sind noch schlecht erforscht. Wie die einzelnen Stoffe in die Umwelt gelangen und was ihre Langzeitwirkung ist, ist derzeit in vielen Fällen noch unklar. In der Industrie werden PFAS zudem oft in geschlossenen Verwendungen eingesetzt, bei denen für Mensch und Umwelt keine Gefahr entsteht.
Generelle Verbote fern jeglicher Realität
Dennoch wollen Umweltlobbyisten und EU-Bürokraten wegen möglicher Schäden durch einzelne PFAS die gesamte Gruppe mit einem generellen Verbot belegen. Denn schon was gefährlich sein könnte, muss präventiv verboten werden, ohne dass das tatsächliche Risiko betrachtet und dessen Quelle identifiziert werden. Da PFAS sehr langsam zerfallen und einige mobil sind, wird befürchtet, dass sie sich in der Umwelt und im menschlichen Körper anreichern und dort Schaden anrichten.
Generelle Verbote sind aber fern jeglicher industriellen Realität. Sie würden zudem dazu führen, dass die europäische Industrie die immer extremeren Anforderungen an Materialien und Maschinen nicht mehr erfüllen kann. Gegenüber asiatischen und amerikanischen Konkurrenten würde die hiesige Industrie regulatorisch geknebelt, während die Konkurrenten den Einsatz von PFAS wohl meist einfach nicht deklarieren werden.
PFAS-Regulierung bremst Innovationskraft
Bereits die auf Jahre überhöhten Energiepreise haben zur Abwanderung der Basischemie aus Europa geführt. Die Regulierung bei PFAS hat ein analoges Potential in Bereichen wie Halbleiter, Fertigungsindustrie oder Green Technologies, welche die gleiche EU mit Milliardensubventionen fördern will...
Klagen allein reicht aber nicht. Swissmem engagiert sich: Über unsere europäischen Verbände, wo wir beispielsweise mit Orgalim bei EU-Kommissar Breton auf die Problematik hingewiesen haben. Dass es sicher Ausnahmen geben werde, ist erfreulich, aber bereits die Ankündigung der harten Regulierung hat die Investitionsfreude in Europa zusätzlich reduziert und die Glaubwürdigkeit des regulatorischen Umfelds weiter erodiert. Hoffentlich haben die neuen EU-Gremien mehr Gehör für die Industrie!
Keine vorauseilende Schweizer Regulierung
In der Schweiz ist der regulatorische Freiraum möglichst zu nutzen. EU-Recht muss und soll hier weder automatisch noch vorauseilend übernommen werden. Das würde sich auch mit den Bilateralen III nicht ändern. Schweizer Firmen müssen zwar EU-Regeln für Produkte beim Export in die EU einhalten, das gilt aber nicht beim Export in andere Märkte und ebenso wenig für die Produktionstechnologien hier im Inland. Zudem gilt es abzuwarten, wie die EU-Regulierung effektiv aussieht, was die Übergangsfristen sind, und wie die Umsetzung aussieht.
Ebenso wichtig sind Investitionen in die Suche nach neuen Materialien, z.B. auch unter Nutzung der Quantentechnologie. Wenn die EU (über-)reguliert und die Schweiz forscht, leisten wir den bestmöglichen Beitrag zur langfristigen Sicherung des Produktions- und Technologiestandorts Schweiz – und Europa.